Die Mär vom Stiefmütterchen

Ein Gedicht von Wolf-Rüdiger Guthmann
Vor langer Zeit in fernem Land
war eine Familie beliebt, bekannt.
Der Vater war Kämmerer bloß,
die Mutter zog zwei Kinder groß.

Zwillinge waren es, Bub und Madel,
freundlich nett, ganz ohne Tadel.
Die Mutter starb, war plötzlich blau,
der Vater liebte eine neue Frau.

Dabei hinterließ die Mutter eine Blume,
in einer Schachtel mit steinharter Krume.
Wären die Kinder in allerhöchster Not
seien Tränen der helfenden Blume Brot.

Die neue Frau, wie in jedem Märchen,
hasste schnell unser Zwillingspärchen.
Den eigenen Kindern, frech und laut
hat sie mehr gegeben, mehr vertraut.

Die Zwillinge mussten oftmals hungern,
bettelnd auf Straßen und Plätzen lungern.
Und so dauerte es dadurch nicht lang,
dass beide wurden tot sterbend krank.

Im nahenden Tod am Tisch vereint,
haben sie über dem Korn geweint.
Da wuchs aus der feuchten Krume
für die Toten eine kleine Blume.

Die Kinder wurden einsam begraben,
die Blume landete gleichsam im Graben.
Dort wächst sie seit dem noch bis heute
und vermehrt sich zur Freude der Leute.

Dabei hat man erst nach vielen Jahren
das Geheimnis dieser Blume erfahren:
Die Blüte zeigt symbolisch den Tisch
um den alle saßen, ganz stiefmütterlich.

Die Stiefmutter belegt zwei Sitze allein,
ihre Kinder sitzen einzeln gar fein.
Doch die Zwillinge müssen sich engen,
auf einem Stuhl sich gemeinsam drängen.

Man schrieb der Stiefmutter Schand
diesmal nicht an jede schiefe Wand.
Doch manche Frau, die Stiefmutter wird,
besehe die Blume, als der Liebe Hirt.

21.08.2013 © Wolf-Rüdiger Guthmann

Informationen zum Gedicht: Die Mär vom Stiefmütterchen

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21.08.2013
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