Die Katzenbank

Ein Gedicht von Wolf-Rüdiger Guthmann
Neulich sitze ich im fremden Garten,
um auf eine Bekannte zu warten.
Frech mache ich die Beine lang
auf einer grünen Gartenbank.
Die Sonnenstrahlen schwärmen,
dabei auch meinen Körper wärmen.

Plötzlich hör ich ein Geschrei,
als ob ich hier im Tierpark sei.
Doch wird’s wohl keinen Käfig geben,
in dem Tiger und Löwen leben.
Hier wohnt nicht der Zauberer Roy,
dessen Haustier ein weißer Leu.

Und trotzdem ertönt ein Fauchen,
das mir rät, die Beine zu gebrauchen.
Meine Gedanken zu lange verharrten,
da teilt sich das Unkraut im Garten.
Mir blieb das Blut in den Adern stehen,
bei dem, was nun live geschehen.

Gelbgrüne Augen im Blattwerk stechen,
hörbar knackend die Zweige brechen.
Ein massiger Körper schiebt sich dahin,
„Ein Raubtier“ kommt mir in den Sinn.
Graues Fell und grausamer Kopf,
mich dünkt nur: „Ich armer Tropf!“

Ich zieh die Beine mit der Hand
und drücke fest mich an die Wand.
Die Bestie mit den Tatzen kratzt
und vor Wut am Grashalm schmatzt.
Der grüne Saft läuft über’ n Hals,
und das Tier schreitet weiter, jedenfalls.

Dann bleibt es plötzlich vor mir stehen,
um blutrünstig mich anzusehen.
Die Augen wild, der Schrei ist schrill,
wie der Hund von Baskerville.
Dann setzt es an zu einem Satz,
nimmt friedlich auf der Bank noch Platz.

Als ich später frage, wer das wohl sei,
heißt es, er sei schon immer dabei.
Als Herr über jede Ratte und Maus
sei er der Kater im Gemeindeamtshaus.

2012 © Wolf-Rüdiger Guthmann

Informationen zum Gedicht: Die Katzenbank

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28.09.2012
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