Der Fünfkinderstein

Ein Gedicht von Wolf-Rüdiger Guthmann
(Nachträglich zum Intern.Frauentag-
für den Muttertag zu tragisch)

Gedenkt der Mensch, treu und wacker,
besucht er auch den Gottesacker.
Um sich zu erinnern und zu zeigen,
dass wir uns vor der Vergangenheit neigen.
In Lommatzsch sah ich so allein
den berühmten Fünfkinderstein.
Und weil ich gern berichte,
lieferte die Chronik folgende Geschichte:

Ehe die Mädchen einst einen Mann suchten,
sie erst eine Dienstbotenstellung buchten.
In Lommatzsch war es Rosine Maria
sie war für ihre Herrschaft da.
Kleine Brust und schlanker Leib,
rundherum ein Klasseweib.
Sie selber machte keinen Hehl,
ihr gefiel des Kürschners Samuel.

Als es hieß Wintersachen holen,
rieb sie ihre Hände nur verstohlen.
Als sie mittags in den Pelzladen ging,
der Meister schon im Gasthaus hing.
Samuel Kühnen, der groß und hager,
zeigte ihr gern der Pelze Lager.
Sie hat sich über die Truhe gebeugt
und er hat ihr ein Kind gezeugt.

Ihr Leib gedieh, die Brüste schossen,
da haben beide die Ehe geschlossen.
Die Brüste wuchsen und ihr Bauch,
der Hintern und die Lenden auch.
Doch es geschah auffällig schnell,
das war nicht richtig an der Stell.
Die Hebamme des Ortes Meißen
sah besorgt die Bauchhaut reißen.

Sie hat sie dann lange untersucht
und anhand des Strampelns verbucht,
Rosine Maria, des Kürschners Weib,
hätte nun Zwillinge im Leib.
Zwei neue kleine Menschenleben
sollte es bald im Hause Kühnen geben.
Sie überbrachten diese geheimen Daten
den Verwandten, als den künftigen Paten.

Samuel Gruhl der Ratsherr war erster,
Zweiter David Gruhl der Apothekenbesitzer.
und Dritte Schwägerin Sibylla Kühnen
Frau des Baders Gottfried Kühnen.
Man sagte ihnen, sie hätten noch Zeit,
doch schon am 25.Juli 1688 war es soweit.
Es gab warmes Wasser und Leinentuch,
später dann Gebete und manchen Fluch.

Mädels müssen angeblich die Zeit nutzen,
um sich für die Welt heraus zu putzen.
Deshalb erschien ohne Tadel und Fehl
als Erster der Sohn Samuel.
Dann war Rosine Maria bereit,
sich zu zeigen in Evas Kleid.
Die Paten wollten nach der Nottaufe gehen,
da kam ein drittes Kind mit neuen Wehen.

Das dritte Kind war zwar ein Sohn,
doch er starb beim Geburtsgang schon.
Die Hebamme rechnete nur mit zwei,
es fehlte die Nabelschnurklammer Nr. drei.
Das Blut schoss, der Puls entschwand,
drum ward ein Name nicht genannt.
Die Paten dachten, das war alles
und gingen, als Schluss des Falles.

Die Hebamme rief mit ihrem Charme:
„Ich glaube, der Ofen ist noch warm.“
Die Hände auf den Bauch gelegt
und gefühlt, dass sich was regt.
Neue Wehen erforderten wieder Paten,
die aufgeregt sehr schwer sich taten.
Als erstes kam nun noch schnell an
der Sattler Christoph Harnanh

mit seinem Weibe Anna Maria Gruhlin,
begaben sie sich als Paten dort hin.
Friedrich Schmidt einen Bürger allhier
holte man aus der Wirtschaft vom Bier.
Dazu die hübsche Margaretha Trimen,
des örtlichen Maurer Januß Eheweib.
Plötzlich gellte ein Schrei in den Ohren,
es war Sohn Johann Christoph geboren.

Alle waren nun beruhigt und nett
über das örtlich neue Geburtsquartett.
Die Paten gerade bei der letzten Taufe sind,
da gebar Rosina Maria das fünfte Kind.
Mit dem Mädchen Anna Margaretha
waren nun endlich alle Kinder da.
Die Paten konnten sich die Haare raufen,
und die Letzte auch notdürftig taufen.

In der armen Meißnischen Gasse
kam das niemand sehr zu passe.
Die Mutter gab ihr Herzblut hin
hatte ihre Kinder nur im Sinn,
doch Sommer 1688, zu jener Zeit
war die Medizin noch nicht so weit.
Die Kinder waren noch zu schwach
und starben sämtlich nach und nach.

Ich fand just zu meinem Glück
diesen Stein vor einem Augenblick.
Man müsste mal den Pfarrer fragen,
vielleicht kann er noch etwas sagen.
Fünf Kinder, erst schmerzhaft geboren
und dann wieder schmerzlich verloren.
Darum gilt ihr heute mein Respekt,
der Mutter, die sich umsonst gestreckt.

11.03.2014 © Wolf-Rüdiger Guthmann

Informationen zum Gedicht: Der Fünfkinderstein

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11.03.2014
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