Augenblicke

Ein Gedicht von Wolf-Rüdiger Guthmann
Meine Geburt war einst ein Stress,
selbst ein Doktor war am Werk.
Doch die Hebamme sagte kess:
„Komm raus du kleiner Zwerg!
Nach so langer Zeit ist alles in Butter,
es wartet auf Dich Deine Mutter.
Wenn ich auch auf den Po dir hau,
blick in die Augen dieser Frau!“

Die Hebamme, die ich angesehen,
hatte aber plötzlich keine Zeit,
denn bei der nächsten kamen Wehen,
drum riet mir die bekittelte Maid:
„Wenn Hunger und Durst dich quälen,
kannst du links oder rechts wählen
und am Born von Melk und Brau,
blick in die Augen dieser Frau.“

Die erste Freundin, die ich fand,
wollte doch sehr viel von mir.
Da manches mir noch unbekannt,
sprach die Mama zu mir:
„Küsst sie dich wie ein Folterknecht,
und legt sie dich dann waagerecht,
wird ängstlich dir der Magen flau,
blick in die Augen dieser Frau.“

Erst Kirche und dann Standesamt,
die Hochzeitsgäste sangen.
Nach dem Taschentuch gekramt,
als des Pfarrers Worte klangen:
„Du willst sie mit Haut und Haar,
darum werdet ihr ein Ehepaar.
Doch ehe ich euch beide trau,
blick in die Augen dieser Frau.“

Dereinst sitz ich im großen Kreis
auf der Wolke Nummer sieben.
Die Erde ich fein im Sarg verließ,
auf dem stand klein geschrieben:
„Wir fahren jetzt zum Himmelstor,
Engel und Teufel steh’ n davor.
Bist du lieb und bist du schlau,
blick in die Augen dieser Frau.“

Wolf-Rüdiger Guthmann © 30.03.2016

Informationen zum Gedicht: Augenblicke

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30.03.2016
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