Dunkle Zeiten

Ein Gedicht von Hans Hartmut Dr. Karg
Dunkle Zeiten

©Hans Hartmut Karg
2017

Er wachte morgens langsam auf
Und spürte seine Hände nicht.
Das trieb die Ängste weit hinauf,
Halb taub schien ihm auch sein Gesicht.

Darüber wollte er nicht reden,
Denn Jungsein hieß doch die Devise.
Als Alter kann man nur noch beten,
Weil Jugend uns nur jungsein ließe.

Er spürte immer öfter Taubheit
Und musste die für sich verdrängen,
Galt es doch für die Lebenszeit:
Lass' Dich im Alter ja nicht hängen!

Krankheit wird doch zum Stigma Dir,
Wo Schwäche und wo Eigenschuld.
Also erzähle nichts dem Wir
Und habe mit Dir selbst Geduld!

Deshalb massierte er am Morgen
Die Hände mit den tauben Gliedern,
Behielt für sich die Dauersorgen,
Wollte auf Schwäche nichts erwidern.

Das Taubheitsringen, Seelenwühlen
Waren doch nie die Sicht des Starken.
Man muss nur mit sich selber fühlen
Und nicht in seinen Ängsten harken.

Massieren brachte langsam Leben –
Zuerst in seine Fingerkuppen.
Wenn es dann neues Blut konnt' geben,
Fielen doch ab die Trauerschuppen,

Weil nunmehr Fühlen wieder frei
Und nicht in Nacht gefangen lagen.
Die Welt war ihm doch einerlei –
Und er verbot sich weitere Fragen.

Kamen zurück die lahmen Hände
Ins steuerbare Daseinsglück,
War klar ihm, dass die gute Wende
Den Schlaganfall noch hält zurück.

„Wie wird es mit mir weitergehen“,
Fragt sich der leidgeprüfte Alte,
„Kann ich am Ende nicht mehr gehen,
Wenn Gnade Gottes nur noch walte?“

*

Informationen zum Gedicht: Dunkle Zeiten

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13.02.2017
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