Die Thrakische Magd

Ein Gedicht von Hans Hartmut Dr. Karg
Die Thrakische Magd

©Hans Hartmut Karg
2017

Den Blick hoch, immer zu den Sternen
Marschierte er laut denkend vor sich hin
Und suchte nach des Lebens tieferem Sinn,
Nach Weisheit und des Geistes Kernen.

So sah er nicht den alten, tiefen Brunnen,
Das Loch, die Tiere, nicht die Magd,
Denn ihm, der im Sinnieren tagt'
Scheint ja ein Geistesblitz gelungen.

Weshab zur Erde sich noch wenden,
Weshalb sich mühen um den Alltagskram?
Denn auf der Erde wird der Geist nur lendenlahm,
Der Himmel kann dem Thales Schönes schenken.

Glücklich deshalb er starr zum Himmel blickt,
Mit sich im Reinen, voller Wohlgefallen...
Da musste er in jenen Brunnen fallen,
Er, der so geistrein, so entrückt!

Das interessierte nicht die Welt, kein Tier,
Doch unsere Magd, die musste herzlich lachen,
Als sie den Denker hört' hinunterkrachen –
Und sie trug weiter Wasser zum Spalier.

Dem Philosophen war sie ja von Herzen zugetan,
Er war harmlos, verlebte seine schönen Tage,
War keinem wirklich eine echte Plage
Und lebte arm und reich in seinem Dauerwahn.

Doch wer die Nöte unserer Welt nicht löst,
Weil er sich in ihr leider nur behimmelt
Und alles Nahschwere abwimmelt,
Der wird vom Zeitgenossen nicht erlöst.

Wird es der Politik, die sich im Standardsprech verliert,
Wohl wie dem armen Philosophen denn ergehen?
Der Wähler lacht – wird keinem mehr nachsehen,
Der ihn nicht ernst nimmt, nur mit Sprech verführt.

*

Informationen zum Gedicht: Die Thrakische Magd

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21.09.2017
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