Bindungslose Zeit

Ein Gedicht von Hans Hartmut Dr. Karg
Bindungslose Zeit

Da haben sich doch schon früher
In lokaler, provinznaher Vertraulichkeit
Die Verwandten so gerne getroffen
Und stundenlang miteinander parliert.
Paten, Onkel und Tanten waren Bemüher
Um den Nachwuchs und eine Kindheit,
Auf die war jederzeit freudig zu hoffen,
Sie hat überhaupt zum Denken erst geführt.

Heute geht alles ineinander recht locker,
Die Patchworkbeziehung ist die Norm
Und der Wechsel alltäglich' Programm,
Denn man ist ja allzeit überall mobil.
Da entsteht Unstetes ohne Hocker,
Man präsentiert sich in aktueller Form,
Schaut auf Kalorien, Joule und Gramm,
Ist global, medial unterwegs – ohne Ziel.

Haben uns denn nicht früher Bindungen
Geführt in eine personale, heile Welt,
In der wir, daselbst heimisch geworden
Zur Originalität unserer Seinsfreuden fanden?
Jetzt treiben uns mediale Windungen
Hin zur Leitfrage: “Gibt es denn Geld?“,
Wo sich Clans, Kumpane und Konsorten
Eigenmächtig zu Oberhäuptern ernannten.

Heute dürfen Beziehungen nicht mehr belasten,
Sie dürfen nicht langweilen und nicht nerven,
Denn der moderne Mensch glaubt von sich
Er wäre dünnhäutiger und nicht sehr belastbar.
Man will ja neugierig von einer zur anderen hasten,
Die Bindungen stören dabei, denn sie werfen
Scheinbar ihre schweren Schatten auf Dich.
Bindungslose Freiheit wirkt sonderbar...


©Hans Hartmut Karg
2022

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Informationen zum Gedicht: Bindungslose Zeit

89 mal gelesen
25.09.2022
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Hans Hartmut Dr. Karg) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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