Letzte Blüten, Muscheln, Steine

Ein Gedicht von Anouk Ferez
Wir haben unsere nackten Worte
in Kräuterduft und Regendunst gekleidet:
Es wurden Gedichte.
Wie schillern unsere suchenden Küsse
- in den Farben verspäteter Falter,
die in regengeschwängerter Luft
mühsam doch beharrlich
ihren Weg zum Himmel nehmen.
Sind wir noch da?
Träumen wir noch denselben Traum?
Du greifst meine Hand:
Sie ist so warm wie ehedem.

Wir sammeln letzte Blüten, Muscheln, Steine
als wertvolle Fracht des ausklingenden Sommers,
der neben uns in den letzten Zügen liegt.
Wie sacht streicht dein Haar
über meine nasse Wange.
Sind es Regentropfen oder Tränen?
Ganz einerlei!
Ich atme Pilze, Beeren, Leder
und nichts auf der Welt duftet wie du:
Nach Heim und Herd mitten im Rauh!

Meine Nasenflügel ziehen im Gleitflug
über deine Herbst-Haut.
Es lösen dunkle Noten von Rauch und Holz
die Honigaromen der goldenen Zeit ab.
Ich ergebe mich dem September-Schauer:
Es klingt wie dein Pulsschlag,
dieses wundervolle „tropf, tropf, tropf“,
als unser Baum auf uns hernieder weint
- vor lauter Glück,
dass wir uns nach dem langen Sommer
im bunten Buchenlaub wiederfanden.

© Anouk Ferez
//3410 Lav-Ros//

Informationen zum Gedicht: Letzte Blüten, Muscheln, Steine

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17.09.2015
Das Gedicht darf weder kopiert noch veröffentlicht werden.
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