Zugvogel
Ein Gedicht von
Lisa Nicolis
Noch eh die kühle Hand
das frierende Gezweig entblößt,
sich blau die Erde aus
dem müden Sommer dreht,
noch eh das Welken, rostig
durch die dunklen Straßen weht
und Herbstwind um die Ecken jault,
erzürnt und trist,
sind Zugvögel schon längst
in Scharen ausgeschwärmt, erlöst,
dem Sommer nach, der ihnen Heimat ist.
Wenn sich der Morgen
sanglos in den neuen Tag verirrt,
mein Sein ich fremd empfinde,
so kalt und sehnsuchtsgrau,
dann wär’ ich Zugvogel,
der sich vielhundertfach verliert
ganz hoch im Blau,
zuhaus in einer Jahreszeit.
Ich wär’ entschwunden
und wäre nicht
mit stillen, unheilbaren Wunden
an meinen Heim und
all dem Weh gebunden.
Lisa Nicolis
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