Tanka über Freud und Leid

Ein Gedicht von Ingrid Baumgart-Fütterer
-1-
Feuchtwarme Erde
verströmt den Duft des Waldes,
Sinne öffnen sich
für eine „bekannte“ Welt,
die jetzt neu erfahren wird.
-2-
Zittrige Blicke
aus verängstigten Augen
zeugen von der Angst,
die sich eingenistet hat
in der verletzten Seele.
-3-
Fröhliches Glucksen
ein Prusten und Gebrabbel,
leuchtende Augen
strampelnde Beinchen, Ärmchen,
ein Baby zum Liebhaben.
-4-
Bleierne Schwere
müde bis auf die Knochen,
das Denken steht still,
das schwindende Bewusstsein
versinkt im traumlosen Schlaf.
-5-
Die Lebensfreude
hat die Seniorin gepackt,
weckt in ihr Neugier,
reißt sie aus der Lethargie –
sie wirkt um Jahre verjüngt.
-6-
Endlich spricht sie aus
die ungeschönte Wahrheit
und macht ein Ende
der friedhöflichen Ehe,
in der sich jetzt „Leben regt.
-7-
Eine Flaschenpost
an steinigen Strand gespült,
enthält Botschaften
aus längst vergangener Zeit,
die mich seelisch berühren.
-8-
Dein Mund ist verstummt
die Augen sind gebrochen
und dein Herz steht still,
doch in der Erinnerung
bleibst du für mich unsterblich.
-9-
Ein langes Leben
läuft vorm geistigen Auge
im Zeitraffer ab
und in der Zusammenschau
ergibt „Unsinn“ einen Sinn.
-10-
Ein Reisekoffer
zeugt von glücklichen Zeiten,
die Welt stand offen
dem lebenslustigen Mann,
der dem Krieg zum Opfer fiel.
-11-
Auf Schritt und auf Tritt
begegnet er den Wundern,
die es sich erschafft,
seit er mit offenem Geist
seinen Alltag erkundet.
-12-
Er verfällt der Sucht
sie raubt Verstand, die Seele
er wirkt verloren,
findet sich nicht mehr zurecht,
ist nicht länger Herr im Haus.
-13-
Wolkengebilde
befeuern die Fantasie,
lebendig werden
am Himmel die Geschichten,
die mir Wolken erzählen.

Informationen zum Gedicht: Tanka über Freud und Leid

11 mal gelesen
27.10.2025
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Ingrid Baumgart-Fütterer) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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