Stoma

Ein Gedicht von Lothar Schwalm
Jetzt liege ich hier
und bin gezwungen, nachzudenken
mein ganzes Leben lang konnte ich pinkeln,
im Stehen, im Sitzen,
im Liegen, wenn ich wollte,
wie ich wollte,
das ist vorbei!
Jetzt pinkelt es mich,
ich werde Wasser gelassen,
oder besser:
zu Wasser gelassen
komme mir vor,
wie ein Boot,
wir sitzen alle im selben Boot,
höre ich mich schon sagen
Blödsinn!
Ich fühle mich einsam
während langsam aber sicher
Tropfen für Tropfen
Urin in meinen Beutel tropft
„Scheiße, verdammte!“
Der Pfleger hört es
und reagiert mit einem blöden Witz:
„Nicht Scheiße!“, meint er, „sondern Pisse!“
Ich könnte ihn umbringen!
„Galgenhumor sollte mit dem Galgen bestraft werden“,
denke ich noch, dann lasse ich von ihm ab
und bin wieder allein,
wieder bei mir
und meinem Beutel
zum ersten Mal sehe ich,
wie gelb Urin sein kann,
ein Liter Urin
fast habe ich das Gefühl,
er leuchtet mich geradezu an,
dieser Liter, wie ein Pils,
nur die Schaumkrone fehlt noch.
Na, dann: Prost!
Selten habe ich mich so angepisst gefühlt
Was für ein Wortspiel!
Und doch:
Jetzt geht wenigstens nichts mehr daneben.
Ich merke, wie ich anfange,
positiv zu denken…


ls040803

Informationen zum Gedicht: Stoma

3.688 mal gelesen
-
24.07.2011
Das Gedicht darf nur mit einer Erlaubnis des Autoren kopiert oder veröffentlicht werden. Jetzt Anfrage stellen.
Anzeige