Schattenkind

Ein Gedicht von Ingrid Bezold
Nadja sitzt im Sonnenlicht
am bunt gedeckten Tisch.
Die Deko ist ihr viel zu schlicht -
passt farblich nicht zum Meeresfisch.

Mutter, Vater, Omama
katzenbuckeln vor der Kleinen,
um mit Pauken und Trara
auf Kommando zu erscheinen.

Wie der Tanz ums Goldne Kalb...
Doch Nadja, dieses Sonnenkind
bleibt unzufrieden, freudlos, kalt
und nichts in ihrem Innern glimmt.


*

Eingehüllt in eine Decke
sitzt ihr Bruder Lenny still,
traurig, einsam in der Ecke,
weil am Tisch ihn niemand will.

Vater, Mutter, Omama
keiner ist für Lenny da.

Täglich hockt er hier im Schatten -
hört und sieht die Lichtgestalt
und am Nebentisch die Platten
mit edlen Speisen warm und kalt.

Ihn übersieht man jedesmal.
Nur die Reste darf er holen.
Zaghaft nimmt er seinen Schal -
verschämt weint er hinein... verstohlen.



(C) Ingrid Bezold

Informationen zum Gedicht: Schattenkind

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28.08.2023
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Ingrid Bezold) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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