Ich bin nur Kassenpatient

Ein Gedicht von Klaus Enser-Schlag
Um 10 Uhr hab‘ ich den Termin,
bei Doktor Ewald Serafin.
Der Schmerz in meiner rechten Leiste
geht mir doch ziemlich auf den Geiste.

Im Wartezimmer – ach, Du Schreck,
auf keinem Stuhl ein freier Fleck!
So stelle ich mich in den Flur
und schaue auf die große Uhr.
15 Patienten warten schon
Termin um 10 – es klingt wie Hohn.

Sprechstundenhilfe Sylvia:
„Die war’n schon alle vorher da!“
Das seh‘ ich auch – was nützt es mir?
Ein Arztbesuch ist kein Plaisir.

Um 14 Uhr komm ich dann dran,
der Doktor blickt mich ganz groß an.
„Sie waren vorher noch nie da?“
„Doch, 13 Mal war’n es sogar!“
Herr Doktor schaut auf den PC:
„Was haben wir für ein Weh-weh?“

„ICH habe Schmerzen in der Leiste“
Die Diagnose: Ziemlich dreiste:
„Das kommt vom vielen Onanier’n!“
Jetzt muss ich mich doch sehr genier’n…

„Enthaltsamkeit ist immer weise,
sonst schließt sich bald der Teufelskreise!“
Dann fragt Herr Doktor mich zum Schluss:
„Sie sind Privatpatient, Herr Struss?“
Das muss ich jetzt beschämt verneinen
und seh‘ Herrn Doktor beinah‘ weinen.

„Die Zeit ist um, bis nächstes Mal!
Fast vier Minuten, welche Qual!
Als „Kassenkranker“ gibt’s nur zwei!“
Jetzt ist mir alles einerlei.

Am Abend leg‘ ich mich ins Bett,
und meine Nachbarin, Frau Klett,
die bindet mir die Hände fest,
damit sich's „passiv“ schlafen lässt.
Mein guter Doktor hat ja recht:
Jetzt ignorier‘ ich mein Geschlecht…

Informationen zum Gedicht: Ich bin nur Kassenpatient

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04.03.2015
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