Der schleichende Tod

Ein Gedicht von Marcel Strömer
Unsere Welt fängt an zu sterben,
glanzlos ihr Blick
im letzten Kuss blutüberströmt,
unter mürrischen Plastiknasen,
dem Pfad der langen Schatten folgend.
Schwer klopft das Scherbenherz,
hebt das innere Augenlied,
rollt den Augenapfel hin und her,
frisst dem wilden Gen gierig aus der Hand,
schwört auf die gedoppelte Bibel,
blickt in den abgeräumten Geigenhimmel;
Die aufsteigenden Tränensterne sind gefallen,
auf blanken Boden gelegt,
in die zweite Niederlage geeicht.
Aus den Wolken erklingen keine Lieder,
auf dem Pflaster gepresst liegen die Wunder
der noch so tiefen knorrigen Wurzeln.
Schmutzgetränkt ziehen sie sich über den Weg,
mager hohlwangig, von bleichen Falten durchfurcht,
darüber weißer Schneeschimmel,
erkaltet und verzweifelt im Ahnenstaub.
Hülsen und Wortgalle statt blühendes Werkzeug,
sie beten nie wieder zur aufgehenden Sonne.
Begraben sind die immergrünen Träume,
die einst gebettet auf Kaiserblau
und biegsamer wie Zirbelnadeln.
Eine Gruppe von Blesshühnern wankt blind über das Korn,
sie tragen ihre Federn unter der Flagge
des entleerten Wortes.
In ihrer bepelzten Vogelbrust,
Schmerz zuerst, zuerst Schmerz!



© Marcel Strömer
(Magdeburg, den 24.01.2017)

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Informationen zum Gedicht: Der schleichende Tod

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24.01.2017
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