Der Naturfotograf
Der Naturfotograf
(eine Fiktion)
Eines Morgens nach ´ner dunklen Nacht
War der Naturfotograf erwacht
Waschen, Duschen, seifenfrei
Zähne putzen, einerlei
Hose, Hemd und Jacke an
An die Füße Schuhe dran
So stand er auf, ´s war noch duster, nicht mal hell
Und packte dann die Kam´ra schnell
Drei Schritte vor der Tür
Verließ ihn erstmal das Gespür
Durchs lange Objektiv
War die Sicht nur primitiv
Weil´s ganz ohne Helligkeit, das bisschen Licht
Vertrieb es die Schwärze aus dem Sucher nicht
Nach ein paar hundert Metern Gehens dann
Der Himmel fing da schon zu leuchten an
Dort wo der Sterne Firmament
Sich in die Bäume niederlenkt´
Erfreute sich des Fotografens Auge
An einer schönen Türkentaube
Er späht geschwind auf das Kameradisplay
Kontrolliert Programm, Blende und Zeit aber: „Hey!“
Fliegt der Vogel doch sogleich hinfort
Zu einem andern fernen Ort
Der Fotograf nimmt´s hin, ist brav
Doch es scheint fast, als wär´s ihm eine Straf´
In seiner Tasche führt er, weil er klug
Ein Objektiv mit sich, das den Blick mehr in die Breite trug
Als das schwere Linsenrohr
Mit dem er die Taube grad´ verlor
Damit gedacht er nun, ganz wie zum Spaße
Zu fotografieren den Wald gleich neben einer ruhigen Straße
Zwischen Wald und Straß´ liegen zwei, drei Felder
Der Weizen dort wird täglich gelber
Die Sonne erscheint nun fast schon weiß
Unter des Fotografen Mütze wird´ es heiß
Erhitzt wird auch des Fotografen Temperament
Weil justament dort ein junges Reh langrennt
Als er die Kamera dann hebt, ist es beinahe schon zu spät
Ihn das Fotografenglück verschmäht
Das Objektiv zu kurz, die Sonne gleich überm Reh
Man den Fotografen schluchzen seh´
Er wischt das Augennass hinfort
Das Fotografieren ist ja nur ein Sport
Das Landschaftsportrait steht ihm gleich im Sinn
Im Wald steh´n nicht nur grüne Bäume drin
Ein Hochstand an dessen Rande reizt ihn sehr
Wie das Knipsen von dort oben wär´?
Er stakst mit seinem Fotoapparat
Übers weite Feld mit Kopfsalat
Erhobenen Blicks kraxelt er die Leiter empor
Die in der Vorzeit eine ihrer Sprossen verlor
Der Fotograf, er fängt sich so grade noch
Steht erstaunt vor dem großen Leiterloch
Als er dann oben auf dem Sitze sitzt
Wirkt der Mann doch arg verschwitzt
Nahe dem Fotograf in seines Schweißes Mief
Steht ein Reiher, hält seinen Kopf ganz schief
Und wartet drauf, dass etwas fleucht
Oder zu seinen Füßen kreucht
Da! Er sieht ´ne kleine Maus
Potz Blitz! Nun ist deren Leben aus...
Dem Naturfotograf wird schlecht
Sich des Mäuschens Seele an ihm rächt
Die Kamera wiegt auf einmal schwer
Des Fotografen Augen werden leer
Er nimmt sich zusammen, hebt das Rohr
Doch sich des Akkus Ladung schon verlor
Bebend und mit rotem Kopf
Packt er die Gelegenheit beim Schopf
Holt er Ersatz aus der Fototasche
Schiebt den vollen Akku durch die Lasche
Hält das Okular ans Auge, gleich vors Gesicht:
Nur fokussiert darauf die doofe Linse nicht!
Der Reiher reckt sich, ja er fliegt davon
In Richtung auf die Morgensonn´
Der Fotograf schimpft leise auf sich selbst:
„Wenn du nochmal am Fokusschalter stellst!“
Sogleich legt er das kleine Hebelchen um
Und find´ zurück zu seinem alten Schwung
Mit drei Schritten ist er herunter von dem Stand
Mit seinen Füssen steht er schon auf festem Land
Da kommt ein bunter Schmetterling daher
Er hofft: „Den zu Fotografieren ist nicht schwer!“
Doch der flatterhafte Geselle ist gemein und voller Tücke
Fliegt nicht längs des Weg´s, sondern durch des Dickichts Lücke
Mal stoppt er hier, mal da, dann wo er eben war
Der Fotograf wird dadurch nicht schlau
Ihm wird nicht klar, er weiß nicht genau
Ob er dort wohl länger bleibt
Denn: Bis die Kamera bereit
Braucht es ja ein bisschen Zeit.
Schließlich sitzt das schöne Insekt dann doch mal still
Klappt aber stur die Flügel zu und will
Dass der Fotograf es nicht mehr sieht
Während er sich zu ihm herunterkniet
Im Sucher sieht er dann den tollen Falter
Doch der wirkt arg zerrupft und von hohem Alter
Die Turmuhr schlägt Zwölf, der Morgen endet
Der Fotograf seine Schritte heimwärts wendet
Als ihm ein Donnern fährt ins Ohr
Er schimpft: „Ach weh, ich alter Thor!“
Am Himmel, gegenüber von der lichten Sonne
Ein Regenbogen, den knipst er nun voll Wonne
Das Resümee
Dem Regen konnte der Fotograf eben noch entkommen
Ja, er blieb an diesem Tag, alles in allem, ganz besonnen
Sein Glück war zwar nicht so groß wie morgens erwartet
Als er die Tour in die schöne Natur gestartet
Doch nachdem er die Bilder erstmals gesichtet
Wusste er: Fast alle waren sie richtig belichtet!
Um die Türkentaube
In des Baumers Laube
Sich der sternenbesäumte Horizont bog
(Wenn die Geschichte hier nicht trog)
Wald und Reh gingen ganz O.K.
Wenn man von der fehlenden Näh´ abseh´
Des Reihers Maus blieb mangels Schärfe unentdeckt
Die hätte dem Fotografen auch nicht geschmeckt
Die Schmetterlingsflügel waren zwar löchrig bis narbig
Der Gesamteindruck war aber trotzdem eher farbig
Allein der Regenbogen erschien ihm sogar Topp
Die Hochspannungsleitungen jedoch ein Flopp
Die Augen des Fotografen blieben so trocken
Der nächste Ausflug tat ihn des Nachmittags locken
Alles in Allem blieb es bei dem Wort:
Fotografieren ist doch ein toller Sport!
© Auris cAeli
Das könnte Sie auch interessieren