Der Frühling und ich

Ein Gedicht von Christoph Hartlieb
Frühling
lässt sein blaues Band
wieder flattern durch die Lüfte;
süße, wohlbekannte Düfte
streifen ahnungsvoll das Land.
Eduard Möricke

Der Frühling lässt sein blaues Band,
durch Möricke uns wohlbekannt,
durch lind erwachte Lüfte flattern.
Sperlinge tschilpen, Enten schnattern.
Der Hahn wirft unverschämte Blicke
auf die gesamte Hühnerclique,
und diese, statt wie sonst zu fliehn,
umgirren und ermuntern ihn.
Ein Spitz beschnuppert hundertmal
den Stammlaternenpinkelpfahl.
Selbst meine flache Männerbrust
erfüllt und rundet sich mit Lust,
Lust, mich ins grüne Gras zu schmeißen
und hemmungslos hineinzubeißen;
vom Grund der Erde abzuheben
und federleicht empor zu schweben.

Noch liegt im Grunde alles brach.
Es duftet ahnungsvoll. Wonach?
Ich weiß es nicht, doch allenthalben
geschieht es, dass die Schafe kalben.
Die Lämmlein blöken auf den Weiden
so wollig, hilflos und bescheiden
und nuckeln an der prallen Zitze.
Mich juckt es in der Nasenspitze.
Ein Düftchen streift das Riechorgan,
Lavendel, Veilchen, Majoran.

Ein Wahn, der das Bewusstsein blufft?
Nein, irgendwas liegt in der Luft,
ein Vorgeschmack des Happy Ends.
Verliebt und luftig lockt der Lenz,
durch nicht erzwungen und geplant,
geheimnisvoll und ungeahnt;
undefinierbar, unaussprechlich,
jungfräulich, zärtlich und zerbrechlich,
Entfaltungen des Wunderbaren.
Es ist, um aus der Haut zu fahren.
Ich ahne, nein, ich weiß genau:
Heut ist nicht nur der Himmel blau,
der strahlend diese Welt umspannt,
denn Frühling lässt sein blaues Band.
Silesio

Informationen zum Gedicht: Der Frühling und ich

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21.03.2023
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Christoph Hartlieb) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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