Ballade vom ersten Stein

Ein Gedicht von Tilly Boesche-Zacharow
Bis zum Ende meiner Tage
beschäftigt mich die dumpfe Frage,
und es fällt mir ständig ein
die Sache mit dem ersten Stein,
den doch der bloß werfen sollte,
der nur stets das Gute wollte.

Das Leichteste bei diesen Dingen:
sich auf des Richters Stuhl zu schwingen.
Doch ist der wirklich auch der Mann,
der Richt´ges tut, wo er nur kann?

Im Gericht ist längst vergessen
der Bettler, der am Weg gesessen
und ihn schaute hungrig an.
„Aus dem Wege, guter Mann,
ich bin heute spät schon dran,
ohne Biegen und ohn Brechen
hab ich fürs Gesetz zu sprechen.
Denn, was wäre sonst ein Staat,
wenn er nichts zu sagen hat?“

Wen schleppt man denn da heran.?
Irgendeinen bösen Mann,
und der hat ganz unverhohlen
irgendjemand arg bestohlen.
Er schlug ganz heftig auf ihn ein
und steckte Diebesgut sich ein.

Da ist es auch, Schockschwerenot,
es ist doch nur ein kleines Brot.
Ganz egal, ob groß, ob klein,
wer stiehlt, dem muss auch Strafe fassbar sein.
Man zerrt ihn ganz schnell hinter Gitter.
und damit ihm´s wird wirklich bitter,
lässt man ihn drei Tage hungern,
damit er büßt sein Lumpenlungern.
Gerecht gesprochen hat der Richter.
„Nun -zum Mittagessen!“ froh nun spricht er.
Er hebt schon schwer den dicken Wanst,
da kommt sein Scherge angetanzt.
„Der Lump, Herr Richter wissen schon,
dem Sie verpasst des Rechtes Lohn,
der Kerl, der so lang rumgelungert,
er starb gerad, soll sein verhungert!“

Nun heißt es, richtig zu erfassen,
hat man zu Recht ihn fasten lassen?
Halb verhungert, auf das Ganze gehen!
Gerechter Richter wird´s verstehen.

Dieser hier muss Atem holen
und lässt sich schnell ein Schnäpschen holen.
Hoffentlich ist´s nicht gestohlen!!!
Dann gratulier ich - unverhohlen.

28.1.2016 © TBZ

Informationen zum Gedicht: Ballade vom ersten Stein

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28.01.2016
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