Schneespuren (Teamwork)
Ein Gedicht von
Ralph Bruse
Schneespuren
Sie saß im Zimmer – saß allein
Beim dritten, vierten Glase Wein
Und niemand kam zu ihr
Harscher Frost kratzt an den Scheiben
Als wolle er auf ewig bleiben
Im warmen Jetzt und Hier
Sie liebt die Abgeschiedenheit
In stiller, dunkler Winterzeit
Am altvertrauten Ort
Von fern erklingen Abendglocken
Der Hund erwacht und eilt erschrocken
Zur nahen Zimmertür
Zufrieden wedelnd kommt er wieder
Legt sich auf die Decke nieder
Und hört ihr schläfrig zu
Sie spricht von bunten Kinderjahren
Von Schneemann bauen, Schlittenfahren
Und vom geschmückten Baum
Von Liebe und den Schmerzen dann
Auch von dem fremden, fernen Mann,
den sie kaum kannte. Und doch...
Beim nächsten Glase wallt ihr Blut
Sie fühlt sich frei, fasst langsam Mut
Greift zaghaft noch zum Telefon
Draußen peitscht der raue Wind
Sie legt den Hörer hin geschwind
Läuft weit hinaus, ins Freie
Von weither, am verschneiten Wald
Im Dunkel dort - steht die Gestalt
Vom vollen Mond erhellt
Sie fröstelt, zweifelt: Ist´s der Wein?
Ist ER es wirklich? Alles Schein?
Der Mann kommt in ihr Haus
Noch weht Reif aus seinem Haar
Das einst so voll und dunkel war
Es schimmert silbrig weiss
Entkräftet von der langen Reise
Umarmt er sie und flüstert leise:
> Schick mich nicht fort. Nicht heute. <
Es war bald weit nach Mitternacht.
Der Mond hielt tapfer schützend Wacht -
spaziert umher im Zimmer
> Ich war nie wirklich von dir weg, <
sprach er, nach ihrem leichten Schreck.
> Wo du warst, war ich immer. <
*
Nach Wochen kam sie in sein Haus.
Bei Tag sah es verloren aus.
Im Dämmern doch betörend schön.
Es stand von Schnee und Eis umschlungen
Dem Wald, Gezeiten abgerungen,
geduckt im Abendwehn.
Vom Weg aus sah man manchmal nur,
danach im Tiefschnee beider Spur,
im Lichtschein, vor der Nacht.
(c) Ingrid Bezold & Ralph Bruse