Die alte Bärin

Ein Gedicht von Maria L. Späth
Die alte Bärin machte ein paar Schritte
und hob die Nase in den Wind.
Ganz zögernd setzte sie die nächsten Tritte
wie ein Laufen lernend Kind.

Sie fühlte unter ihren wehen Füßen
das Kitzeln von gewachsnem Gras,
und in die Nase stieg ihr Duft von süßen
Gerüchen, die kein Bär jemals vergaß.

Sie witterte mit weitgeblähten Nüstern
die neue Welt, das fremde Land.
Und hörte eines Waldes leises Flüstern
von Leben, das sie nie gekannt.

Sie hatte Furcht vor diesem andern Leben,
sie kannte nur Gefangenschaft.
Sie hatte alles Wehren aufgegeben
in 30 Jahren Kerkerhaft.

Lauf, Rula, lauf, und lerne Freiheit kennen,
die Zeit der Ketten ist vorbei.
Und keine Mauern hindern dich am Rennen,
du bist nun endlich, endlich frei.

Informationen zum Gedicht: Die alte Bärin

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19.04.2014
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