Die gefallene Jungfrau

Ein Gedicht von Klaus Enser-Schlag
Es schleicht zur späten Abendstunde
Jung-Friedhelm zu der Kunigunde,
sie schläft in Vaters großem Schloss
des Grafen „Hoch-und-stolz-zu-Ross“.

Als Jungfrau ist sie heiß umworben
und nicht wie Andre schon verdorben.
Jung-Friedhelm will mit Manneskraft
besiegen ihre Jungfernschaft.

Sein Wams ist rot - wie seine Wangen,
er wirkt recht scheu und unbefangen,
die Hosen sitzen eng und knapp
und drücken sicher auch was ab…

Die Laute hebt er fest in Händen,
das Schicksal soll sich endlich wenden,
„Heut‘ wird die Kunigunde mein“,
denkt er verzückt – den Bauch voll Wein…

Als er am Schloss dann angekommen,
da fühlt er sich schon recht benommen.
Egal, er fängt zu singen an,
so schräg und schrill wie er’s nur kann…

Der Wein ist ihm zu Kopf gestiegen,
auch muss er seinen Trieb besiegen,
der ihn jetzt prall und klar verrät
und gut ihm zu Gesichte „steht“…

Er jault wie eine alte Katze
und zieht dabei die dümmste Fratze,
die ihm nur Schande bringen kann,
was für ein trotteliger Mann…

Das Fenster wird nun aufgerissen,
die Jungfrau fühlt sich recht besch….
Jäh wurde sie vom Schlaf erweckt,
den Friedhelm hat sie schon entdeckt.

Auf den Balkon ist sie gelaufen,
und kann vor lauter Wut kaum schnaufen.
„Ich bitte Euch, gebt endlich Ruh!“,
sie hält sich ihre Ohren zu.

Doch der Balkon ist sehr poröse
und kracht zusammen – mit Getöse.
Die Jungfrau fällt mit spitzem Schrei
in den Schlossgraben – aus, vorbei!

Der Tod der schönen Kunigunde,
ist nun im Dorf in aller Munde.
Der grame Vater rächt sich sehr,
Jung-Friedhelm stirbt durch seinen Speer.

Dies hat sich wirklich zugetragen,
in mittelalterlichen Tagen.
Doch heut‘ belächelt man die Mär,
denn viele Jungfrau’n gibt’s nicht mehr…

Informationen zum Gedicht: Die gefallene Jungfrau

883 mal gelesen
24.10.2016
Das Gedicht darf nur mit einer Erlaubnis des Autoren kopiert oder veröffentlicht werden. Jetzt Anfrage stellen.
Anzeige