Prothesen

Ein Gedicht von Helmut A. Pätzold
Meist stimmt man großen Jubel an,
bekommt ein Kind den ersten Zahn.
Das Kind doch hat im Aug die Träne,
ihn schmerzt das Aufgebot der Zähne.
So nach und nach, das ist gewiss,
bekommt man dann ein Milchgebiss
verschwindet später Stück um Stück,
nur eine Lücke bleibt zurück.
Dann kommen Neue und das weiß ich,
es sind im Normfall 32.
Die nächsten Jahre hat man Ruh,
beißt unbedenklich, herzhaft zu.
Man spornt zu höchster Leistung an,
den Schneide – und den Backenzahn.
Doch plötzlich, meistens in der Nacht,
wird man um den Schlaf gebracht.
Es meldet sich der Augenzahn,
mahnt eine Restaurierung an.
Es ist ein Loch, das schnell gefüllt,
nun ist der Schmerz erst mal gestillt.
Wir haben, das wird sehr bald klar,
doch sehr gesündigt manches Jahr.
Nun schlägt, das ist durchaus kein Glück,
das Zahn Imperium zurück.
Und hier und da entstehen Lücken,
der Doc verbindet sie mit Brücken.
Er rät Dir zu den goldnen Kronen,
zu Implantat, es soll sich lohnen.
Doch schließlich hilft fast gar nichts mehr,
es muss eine Prothese her.
Man tut ein wenig sich genieren,
Ersatzteile den Mund regieren.
Und sie bestimmen wie er geht,
der Tageslauf, von früh bis spät.
Grub früher man ins Gänsebein,
mit Sinnenlust die Zähne rein,
kann man mit Zittern und mit Zagen
heut nur noch zierlich daran nagen.
Weil grober Biss ab jetzt verweigert,
die Esskultur sich deutlich steigert.
Erklärlich wird, zu welchem Zweck,
man einst erfand das Essbesteck.
Ein Lusterlebnis ist es nicht,
wenn Dir mal die Prothese bricht.
Das Unglück wiegt gleich doppelt schwer,
passiert auf Reisen das Malheur.
Da stehst Du nun, mit den zwei Teilen,
kannst nicht zu Deinem Zahnarzt eilen,
der Dir, ich wage jede Wette,
an einem Tag geholfen hätte.
Auf den Basaren bietet man,
Gebisse haufenweise an.
Doch würdest Du Dich zu sehr schämen,
davon eins in den Mund zu nehmen.
Also schlürfst Du tagelang,
nur Suppe, das macht Dich schön schlank.
Du stippst, so wie Großmütterlein,
die Semmel in den Kaffee ein.
Trinkst ganz genüsslich einen Wein
Und schiebst dir einen Pudding rein.
Schaust gierig hin zum Nachbartisch,
dort isst man Braten, Huhn und Fisch.
Doch eines weißt Du ganz gewiss,
hast Du erst wieder festen Biss,
wirst Du die Zähne mit Behagen,
vorsichtig in ein Schnitzel schlagen.
Und die Moral von dem Gedicht?
Misshandle die Prothese nicht,
verwöhne sie, beiß zärtlich zu
dann hast Du viele Jahre Ruh.
Ansonsten könnte sie sich rächen,
unangekündigt einfach brechen.
Und hundsgemein sucht sie sich aus,
wenn grade Du beim Festtagsschmaus.
Viel besser noch in Afrika,
wo weit und breit kein Zahnarzt da.
Drum knacke, wenn es nicht sein muss,
auf keinen Fall die Haselnuss
mit der empfindlichen Mimose,
sonst geht es sicher in die Hose.
Behandle ihn wie Deinen Schatz,
den akkuraten Zahnersatz.
Dann kannst Du Dich bei ihm bedanken:
Wahre Freundschaft darf nicht wanken.
hap

Informationen zum Gedicht: Prothesen

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23.03.2016
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