Verführerische Dienstreise

Ein Gedicht von Heinz Säring
Der Chef mit Tippse - flottes Kind -
heut unterwegs auf Dienstfahrt sind.
Die Fahrt ergab sich ziemlich schnell, -
Man sucht zwei Zimmer im Hotel.

Man kriegt nicht immer, was man sucht,
es ist fast alles ausgebucht.
Es war kein Einzelzimmer frei,
und noch dazu im Monat Mai!

Was beide sich vorher nicht dachten:
Man muss zusammen übernachten.
Zwar nicht, wie sie es gerne hätt,
o nein, es war kein Doppelbett.

Dem Chef ist das nicht grad zum Lachen,
nun aber ja, was soll man machen?
Er nimmt's mit Treue sehr genau
und denkt an seine liebe Frau.

Beim Ausziehn machts das Mädchen schlau,
wie eine kleine Striptease-Schau,
denn auf Verführung steht ihr Sinn.
Er - vorsichtshalber - guckt nicht hin.

Cool wird er bleiben, aber sie,
sie sagt sich: Heute oder nie!
Sie denkt sich, vielleicht klappt es bald
mit einem besseren Gehalt.

Es wär schon was, so jung und zart, -
jedoch, der Ehemann bleibt hart!
Die Betten stehen zwar getrennt,
doch keiner von den beiden pennt.

Da traut sie sich, leicht hinzuhauchen:
"Ich könnt' noch eine Decke brauchen,
mir ist so kalt, wie einem Fohlen,
ach könnten Sie mir eine holen?"

Dem Mann erscheint das schon total,
wie'n Winken mit des Zaunes Pfahl.
Das Mädchen friert doch nur zum Schein!
Da fällt ihm plötzlich etwas ein:

"Wir spiel'n heut Nacht mal ganz und gar,
wir wär'n ein altes Ehepaar!"
Sie geht sehr gerne darauf ein.
"O ja," ruft sie, "das wäre fein!"

Doch er, wie eine Axt im Walde:
"Hol dir doch deine Decke, Alte!"
Das hört sie mit Entsetzen da,
sogar die Tränen war'n ihr nah.

Er sprach: "Die Sache war doch klar:
Wir spiel'n ein altes Ehepaar!"

Vielleicht schon in der nächsten Runde
dann wieder eine Märchenstunde!

Informationen zum Gedicht: Verführerische Dienstreise

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11.07.2011
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