Mutters Leid...

Ein Gedicht von Bernd Tunn
Mutter Leid...

Sehnsüchtig nach ihrem Sohn saß die alte Frau am Fenster und sah hinaus auf das Meer.
Nach ihrem Empfinden war er schon viel zu lange fort.
Sie lauerte auf Schiffsegel am Horizont des Meeres.
Gerade strickte sie einen herben Pullover für ihn.
Ihr Mann war Kapitän. Er ist schon seit Jahren verschollen.
Auch deswegen fiel es ihr schwer ihren Jungen ziehen zu lassen.
Doch der war so voller Tatendrang.
Sanft senkte sich der Abend.
Als sie wieder aus dem Fenster schaute, sah sie Segel.
Segel! Endlich...
Schnell zog sie ihre Jacke an und eilte hinunter zum Hafen.
Das Schiff war jetzt deutlicher zu sehen. Es zeichnete sich im Abendrot klarer ab.
Eine Zeit später sah sie das alte Schiff in den Hafen treiben.
Als es vertäut an der Kaimauer des Hafenbeckens lag, kam Unruhe bei den wartenden Frauen auf.
Der Landgang der Seeleute stand bevor. Die Frauen drängten sich an die Schiffstreppe.
Wo ist der Junge, dachte die alte Frau.
Sie sah wie die anderen Frauen ihre Ehemänner und Söhne in die Arme schlossen.
Und sie?
Mutter?
Erschrocken sah sie sich um.
Sie hatte ihn vor lauter Anspannung gar nicht vom Schiff kommen sehen.
Mutter...
Mutter, ich bin doch da!
Die alte Frau weinte.
Er nahm seine Mutter zärtlich in den Arm.
Ich bin doch da....

Bernd Tunn - Tetje

Informationen zum Gedicht: Mutters Leid...

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18.05.2023
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