Wie betäubt

Ein Gedicht von Athina Gabriel
So viele Geräusche und Gerüche gehen umher.
Ich bin hingefallen und liege jetzt schon eine Weile hier,
ich könnte aufstehen, ich will aber nicht.
Ich bin so müde, so erschöpft,
hab nicht gut geschlafen und bin zu früh aufgestanden.

Ich liege hier und bin wie betäubt.
Die Sonne scheint hoch am strahlend blauen Himmel,
keine Wolke ist zu sehen
und der Himmel scheint so unglaublich weit.

Mein Hund liegt neben mir.
Er riecht nach Shampoo,
weil wir ihn gerade gewaschen haben.

Und auch zu meiner linken
steigt mir ein Geruch von Waschmittel in meine Nase.
Frisch gewaschene Wäsche hängt auf dem Ständer neben mir.
Ich bin immer noch wie betäubt.

Ich denke nach. Mal wieder.
Ich hasse es Entscheidungen zu treffen,
ich bin nicht gut darin, denn ich hab schon zu oft die Falsche gefällt.

Ich höre den Hubschrauber vorbeifliegen,
doch er scheint Kilometerweit weg zu sein.
Ich höre auch die Säge vom Nachbarn
und die Autos von der Straße neben unserem Haus.
Beide gleich nah und doch hören sie sich ebenfalls beide so an,
als wären sie Kilometerweit weg.

Das Weinblatt über meinem Kopf hat die Form eines Herzens.
Eine Spinne spinnt gerade ihr Netz am Baum da drüben.
Ich hasse Spinnen nicht,
aber ich mag sie auch nicht besonders und momentan sind sie überall.

Ich schließe die Augen und öffne sie wenig später wieder.
Nichts hat sich geändert. Ich bin immer noch wie betäubt.
Der Wind, den ich auf meiner Haut spüre,
fühlt sich angenehm an, sonst wäre es auch zu heiß.

Ich schrecke auf, als die Nachbarskatze ein Topf umgestoßen hat.
Meine Mutter schreit nach meinem Hund,
als dieser der Katze hinterherjagt.
Doch es ist mir egal. Ich höre sie nicht.
Es zieht einfach alles an mir vorbei.

Sie ist, wie auch die anderen Geräusche,
Kilometerweit weg und ich bin immer noch wie betäubt.

Alle Geräusche, außer eines,
ich höre noch die Musik,
die mein Vater sich in seinem Büro anhört.
Musik hat mir in solchen Momenten schon so oft geholfen,
doch nicht heute.

Ich habe wohl kein Zeitgefühl mehr,
ich liege anscheinend schon eine Weile hier.
Das Netz der Spinne ist fertig gesponnen,
die Wäsche ist getrocknet.

Sogar mein Hund ist wieder da
und meine Mutter ruft zum Abendessen,
aber ich habe eigentlich gar kein Hunger.

Ich liege hier. Ich bin wie betäubt.
Ich nehme alles genau wahr,
doch nichts und niemand nimmt mich wahr.
Alles zieht an mir vorbei.
Ich bleibe liegen, bis das herzförmige Weinblatt auf mich herabfällt
und ich beschließe aufzustehen.

Informationen zum Gedicht: Wie betäubt

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24.08.2017
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