Ondines Klage

Ein Gedicht von Natalie Franceschini
Kalt ist meine Welt,
unergründlich und wunderschön.

Ich lebe dort wo sich das Volk der Sonne,
schon seit Jahrtausenden nicht mehr hingewagt hat.

Kristallklare Dunkelheit ist nicht das Einzige was mich umgibt,
Städte und Lichter strahlend im grünen Licht der Tiefe.

Die Menschen kennen uns nicht
sie vergaßen uns
nun fürchten sie uns.

Sie waren einst wie wir,
Geschöpfe von strahlender Schönheit verborgen in den Tiefen der See.

Doch dann folgten sie dem Licht der Sonne, ihr falsches Glitzern hat sie verführt,
sie fühlten sich mächtig und frei als die Luft in ihre Kiemen strömte .
Sie Schrien vor Schmerz und Qual, aber trotzdem starben sie nicht.

Sie errichteten ihre Städte und ihre Gier nach mehr machte ihre Herzen blind,
deshalb verfluchte Maremis, der Gott des Meeres und Herrscher über die Unterwasserwelt
die Menschen.
Sie verloren ihre Fähigkeit unter Wasser zu atmen,
und die überirdische Schönheit wich aus ihren Zügen...

Vor ein paar hundert Jahren
entschloss auch ich mich dazu einmal die Welt fern der kühlen Stille zu erkunden.

Einige meiner Brüder und Schwestern begleiteten mich,
die Sonne brannte auf meiner Haut und die Luft quälte meine Kiemen.

Wir vertrieben den Schmerz indem wir sangen,
damals wusste ich noch nicht,
wie verlockend unsere Stimmen in den Ohren der Menschen klangen.

Denn unsere Lieder erinnern sie daran wer sie wirklich waren,
und sie wollen zurück ins Meer in die Arme ihrer Freunde die sich einst für das
Leben fern der Sonne entschieden.

Menschen sind sterblich
und ruhelos warten ihre Seelen darauf in einen neuen Körper
zu wechseln.
Das Meervolk hingegen kann Jahrhunderte überdauern ohne zu altern.

Aber damals war ich noch jung und dumm,
keine hundert Jahre alt.


Deshalb sang ich so schön wie ich nur konnte um die Seeleute
oder wie sie heißen zu beeindrucken.

Ich sang ein altes Lied
das die Schönheit der Tiefe beschrieb.

Einer von ihnen gefiel mir besonders,
mit seinem Haar aus Sonnenlicht.
Also nahm ich ihn mit mir, um ihm unser Reich zu zeigen.

Er hatte Angst vor meinem blauen Haar und meinen kalten Händen,
deshalb sang ich ihn in den Schlaf.

Aber er wachte nicht auf,
blieb stumm selbst beim Anblick der Meeresstadt.

Da erkannte ich, dass er nie wieder leben würde,
ich trauerte kaum aber kehrte nie wieder an die Oberfläche zurück.

Ich war kein Monster,
ich war ein Teil des Meeres
und das Meer ist grausam.

Deshalb sang ich weiter und ich singe heute noch, bringe Verderben,
bringe Sehnsucht.

Ich bringe Erinnerung und Verlangen nach der salzigen und kalten Welt.
Ich bin wie es die die Menschen zu sagen pflegen ein leeres Versprechen.

Mit meiner Schönheit locke und töte ich,
viele Namen wurden mir gegeben
in den hundert Jahren die ohne eine Spur an mir vorüberziehen.
Aber mein wahrer Name ist
Ondine.

Informationen zum Gedicht: Ondines Klage

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25.01.2015
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