Das Trauererbe

Ein Gedicht von Michael B
Der Tod ist in erster Linie bloß ein Wort.
In unserer Sprache bedeutet er allzu oft,
ein Leben, ein Mensch ging von uns hin fort,
wie sehr man auch dagegen hofft.

Er bedeutet ein Versagen von Atmung und Herz,
er bringt nichts hinzu nur Kummer und Schmerz.
Er kümmert sich nicht darum, dass er uns quält,
wenn er einen von uns geliebten Menschen erwählt.

Er reißt aus unsrer Mitte,
trotz Flehen und Bitte,
den Vater, die Mutter, das Kind,
Menschen die uns wichtig sind.

Die Frau die man liebt,
der Mann, dem sie liebe gibt,
die Freundin, die dich versteht,
der Freund, der an deiner Seite geht.

Umso fester man die Bande bindet,
umso näher man dem Menschen steht,
desto mehr fehlt dieser, wenn er schwindet,
desto größer die Leere, wenn er geht.

Was kann man tun, was kann man sagen?
Unheilbar scheint die Wunde, welche aufgerissen.
Wie soll man bloß die Trauer tragen?
Was tröstet schmerzliches Vermissen?

Beruhigt mich der Glaube an eine bessere Welt,
in die sich der Gläubige nach dem Diesseits gesellt?
Vertraue ich auf des Verstorbenen Zuversicht,
darauf, dass zumindest er diesbezüglich sicher war?
Nein, der Gedanke nimmt mir die Trauer nicht,
der geliebte Mensch ging und nur die Trauer, die bleibt da.

Was auch immer das Ende für uns alle bereitet,
ob Wiedergeburt, Himmelreich oder nur die Dunkelheit,
Kein Lebender weiß es, da nur der Tote diesen Weg beschreitet,
Stets verhüllt verbleibt für unser Auge jene Zeit.

Nur eins scheint denkbar, trotz aller Ferne für die, die leben,
Denn wenn das Diesseits geprägt ist von weltlichem Bestreben,
welche erst durch Freude oder Leid von uns Beachtung sich erringen,
so scheint es schlüssig, dass der Tod ganz frei ist von solchen Dingen.



Im Tode fällt, ganz ungeachtet aller anderen Fragen,
eins mit Sicherheit von unseren Schultern ab,
Jede Sorge und jeder Kummer um das Leben,
welche wir stets mit uns tragen,
denn dies sind Nöte die ich nur im Leben hab.

Der Tod ist, wenn man es so sehen will,
das Ende aller Mühen, er ist nicht rastlos, er ist still.
So kann man meinen Friede, in gewisser Weise,
steht am Ende einer jeden Lebensreise.

Doch was nützt der Friede des Toten denen, die im Leben stehn,
sein Weg mag beendet sein, doch sie müssen den ihren weitergehn.
Jenen bleibt ein Fluch von Trauer und Leid,
kein Friede in der Stille, keine Stille in der Endlichkeit.

Nun mag da mancher klug bemerken,
erst durch Trauer zeigt sich Treue,
und die Trauer wird mich stärken,
so dass ich mich nach ihr umso mehr noch freue.

Keiner kann bestreiten, dass Trost ohne Trauer recht sinnlos wirkt,
Da erst die Trauer eine Leere birgt,
Durch welche jedwedes Gefühl und alle Gedanken,
worum sie sich auch drehen und ranken,
sobald sie zu nah die Trauer passieren,
Sich ganz im Dunkel dieser Leere verlieren.
Unwiederbringlich und nicht mehr zu finden,
in der Leere der Trauer vollends verschwinden.

Doch jeder der diesen Abgrund kennt,
der unendlich und übermächtig an einem zehrt,
egal wie man sich zerstreut und somit wehrt,
wütet dem der es „notwendig“ nennt,
dass alle Freude schwindet und die Hoffnung brennt.

Nein, auch die Aussicht auf bessere Zeiten,
werden mir keinen Trost bereiten.
Was ich fühle, fühle ich im Jetzt und Hier,
wie sehr ich auch auf mein Glück in der Zukunft stier.

Während man den Trost erhofft,
vergisst man dabei allzu oft,
dass wenn man sich nach Rettung sehnt,
weil man sich in Nöten wähnt,
verbleibt man solange wie man sich sehnt, mit Haut und Haar,
Weiterhin in jener drohenden Gefahr.

Es kommt keine Heilung durch bloßes Erwarten.
Ebenso wenig wie Blumen blühn,
in einem ungepflügten Garten,
muss man sich schon selber mühn.
Wodurch unterscheidet sich das Leid eines Unbekannten,
von dem Leid derer, die wir Freunde nannten?
Die einen, wie auch die Deinen,
haben Menschen die um sie weinen.
Durch Gemeinsamkeiten im Empfinden und Erleben,
ein gegenseitiges Helfen und einander geben,
durch das Teilen im Verweilen und Teilen im Streben.

Erst wenn das Zusammensein den Geist berührt,
weil man von dem andern inspiriert,
sich nun ganz klar vor Augen führt,
das ohne den andern jener Moment an Wert verliert.
sodass Verbundenheit unser Sein bestimmt,
sodann man erst ehrlich Anteil nimmt.

Wer wäre ich, ob im Handeln und Denken,
im Fühlen und im Finden,
ohne die, die mir Freundschaft schenken,
und die, die mich mit Liebe binden.

Der Freund wird somit willens oder unbedacht,
Einfluss dessen was mich selbst ausmacht.
Alles was wir nun schmerzlich missen und tief bedauern,
ist das Versiegen neuer Zweisamkeit mit dem Menschen, um den wir trauern.

Nur warum nagt gerade dieser Umstand an meiner Seele,
wenn ich, wie erwähnt, eben das Vergangene zu den Momenten zähle,
welche die Menschen in mein Herz einschließen,
und mittels derer, Freundschaft und Liebe in mir sprießen.

Liebe scheint somit, gemäß dem wie sie entsteht,
zu wachsen dank ihrer eignen Art, welche ein andrer in uns sät.
Wenn nicht nur, so zumindest als Aspekt,
ist es Dankbarkeit, die in unser aller Liebe steckt.
Doch wenn es Liebe ist, die liebe weckt,
verbleibt der ersten Liebe Ursprung weiterhin verdeckt.

Im Dialog der Liebe, denn genau das ist ihr Gewand,
erkennt man sie oft später als sie eigentlich entstand.
Zu Anfang war es vielleicht nur Höflichkeit,
die aufgrund offensichtlicher Gemeinsamkeit,
mehr und mehr über das Maß, welches anerzogen,
den einen oder gar beide dazu bewogen,
die Zeit in der man zusammen weilte,
zu versüßen, indem man teilte.

Es entwickelt sich allmählich, in gänzlicher Natürlichkeit,
Interesse, Sympathie hin zu einem Zustand von Verbundenheit,
der zum Schmeicheln und zum Loben, keine Gründe mehr bedingt,
und die stumme Bitte des gegenüber, wie der eigne Wunsch erklingt.
Von nun an teilt man nicht nur Freude, auch der Schmerz gehört nun beiden.
Denn lieben heißt nicht nur sich freuen, sonder auch gemeinsam leiden.
Der Tod, der dem Toten der Möglichkeit beraubt,
den Abschied von den seinen,
durch Tränen zu beweinen,
und es somit nur den Lebenden erlaubt,
nimmt uns selbst rein nichts, außer der Gelegenheit,
dass unsre Liebe man erwidert, aus bloßer Dankbarkeit.

Da jedoch, wie man wohl erkennt,
man Liebe nicht nur als Dank benennt.
Sondern eben so, wie just beschrieben,
wir auch ohne Grund den andern Lieben,
man ohne Gegenleistung oder Preis,
den andern als Geliebten weiß.

Letztlich finde ich den Trost, der den Kummer lindert,
auch wenn der Tod neue Zweisamkeit verhindert,
besitze ich längst was durch sie zum Ziele wird,
und man selbst durch den Tod niemals verliert.

Nachdem die Trauer des Geliebten, welcher in den Tod gegangen,
weggewischt aus den Augen und getrocknet auf den Wangen,
besinne ich mich auf das was bleibt und was ich erbe,
und liebe weiter, bis auch ich einst sterbe.

Informationen zum Gedicht: Das Trauererbe

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28.07.2012
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