Mutlos

Ein Gedicht von Ingrid Bezold
Die alte Frau weilt täglich hier;
verloren und in sich versunken.
Still, wintermüde ruht vor ihr
der See - umschwirrt von Glitzerfunken.

Ihr Blick starrt in den kalten Morgen
und Tränen rinnen über Falten.
Gefühle sind in ihr gestorben,
die jahrelang sie fest umkrallten.

Härte hat sie einsam werden lassen
und schuldig an versäumter Mutterpflicht,
das Schattenkind warm zu umfassen.
Im Herz, die Narbe schmerzt und sticht.

Zu spät für ein "verzeih, mein Kind"
und innig wärmendes Umarmen...?
Sie haucht die Worte in den Wind;
kennt mit sich selber kein Erbarmen.

Jetzt ist ihr Kind längst alt geworden.
Sie weiß nicht, wie´s ihm grade geht -
lebt es im Süden, Westen, Norden
und ob es überhaupt noch lebt.

Dem See erzählt sie Tag für Tag
von ihrer schweren Seelenpein.
Sobald die Mittagsstunde naht,
schlendert sie unentschlossen heim.


(C) Ingrid Bezold

Informationen zum Gedicht: Mutlos

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04.07.2023
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Ingrid Bezold) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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