Mein fremder, kleiner Freund

Ein Gedicht von Ingrid Bezold
Mein Kind, du siehst so traurig aus.
Die großen Augen blicken dunkel in die Ferne.
Haarsträhnen fallen widerspenstig kraus
in deine Stirn. Und irgendwie hab ich dich gerne.

Du zögerst, weil ich dich nach deinem Namen frage
und, wo du wohnst, wo deine Schule ist;
warum du hier bist an so frühem Tage -
ob dich auch irgendwer vermisst.

Dein Blick, unsicher mich betrachtend
trifft mich ins Herz. Vorsichtig reich ich dir die Hand.
Unsicher, auf das marode Pflaster achtend,
gehn wir zu der bemalten Häuserwand.

Die Pasta, die nur Luigi so zu kochen weiß,
verschlingst du hungrig, ohne zu pausieren.
Es gibt Kakao und hinterher noch Eis.
Ein Grund für dich, zu jubilieren.

In deinen Augen leuchten kleine Blitze.
Du siehst mich schüchtern von der Seite an.
Ich spüre, wie ich in den Händen schwitze,
weil ich dein tristes Weltbild jetzt erahn.

Dein Papa - unrasiert vor seiner Pulle;
er weiß nicht mehr, wie man sich freut.
Die Mutter - keine Zeit für eine Butterstulle.
Sie braucht für Mietgeld noch fünf Freier heut.

Ich würde dich am liebsten mit nachhause nehmen
und dir die Welt ganz anders wissen lassen.
Sie wird nicht frei sein von Problemen -
doch von den Ohnezukunftseinbahnstraßen.

Mein kleiner Freund, von Herzen wünsch ich dir,
dass bald dein Leben wieder farbig ist.
Wenn du mal froh sein willst, komm her zu mir.
Hier meine Anschrift - dass du´s nicht vergisst.

(C) Ingrid Bezold

Informationen zum Gedicht: Mein fremder, kleiner Freund

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20.05.2023
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Ingrid Bezold) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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