Stiller Besuch

Ein Gedicht von Ingrid Bezold
Novembermäusegrau am Morgen
und Blätterrascheln unter jedem Tritt.
Gekrümmt vor ungelösten Sorgen -
schleppend sein schwerer, müder Schritt.

Er kennt sie alle, die hier ruh´n
vom Namen, eingraviert im Stein.
Die Menschen, einst erstrahlt im Ruhm
und andere, mehr Schein, als Sein.

Frau Geheimrat – schwarz lackiert
oder Herr Baron von Münden
frisch in Goldschrift aufpoliert -
längst befreit von allen Sünden.

Engel knien, lächeln, weinen
in Bronze- oder Marmorguss
Klammern dicht an alten Steinen -
kalter Mund geformt zum Kuss

Versunken sitzt er auf der Bank
bei der Fichte nebenan.
Demutsvoll haucht er den Dank.
in Nebelstille weint der Mann.


© Ingrid Bezold

Informationen zum Gedicht: Stiller Besuch

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10.10.2023
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Ingrid Bezold) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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