Titel | ||||
---|---|---|---|---|
155 | Kein Mittelmaß | |||
Vorschautext: Gänse sind zwar größer als Enten, doch ein Gänsehals mutet sehr bescheiden an im Vergleich mit einem Schwan. Vogelkundler nennen das ein gesundes Mittelmaß. Nur ein Median zu sein leuchtet einer Gans nicht ein, so gestattet sie ab nun nur Vergleiche mit dem Huhn. |
||||
154 | Sind Alphörner straßenbahntauglich? | |||
Vorschautext: Ein Alphorn in der Straßenbahn mag manche Menschen sehr verstören. Doch fängst du erst zu blasen an, gelingt es fraglos zu betören. Wie Flötenklang, nur etwas voller, vibriert die Weise im Waggon. Bei sieben Leuten regt sich Koller, der Rest ist angetan davon. Ich bin der Rest, der achte Gast, denn sieben Leute fliehen maulend. ... |
||||
153 | Zapfen und Säulen | |||
Vorschautext: Zu Tropfen schmilzt der Schnee in Stunden des Sonnenscheins, aus kleinen Wunden drängt sich ein Rinnsal. Die Natur erlaubt ihm erst noch eigne Spur, dann lässt der Frost Gebilde reifen, gerade Säulen, Orgelpfeifen, der Tropfsteinhöhlen Augenfang. Ich steh davor, bestaune lang gefrornes Glänzen, hör ein Klirren, seh Strahlen durch den Eisdom schwirren und weiß auch, wie solch Wassers Bann ... |
||||
152 | Kolibri-Analyse | |||
Vorschautext: Dem Blauwal wirft man Schmächtigkeit nur selten vor, so gut wie nie. Wenn ja, ist's psychogener Neid, ganz beispielshaft beim Kolibri. Das deutet Sigmund Freud schon an, beschreibt das Krankheitsbild und sagt, es wär der Mindergeltungswahn des Vogels, der so grässlich plagt. Des armen Wales Über-Ich versteht das nicht - und ärgert sich. |
||||
151 | trostaquarell | |||
Vorschautext: im herbstlichtgemälde oktoberseewellen monstranzgoldne birken vor grüntannenriesen am bässhuhngestade ein weißmöwenpärchen schreibt wechselnde zeichen mit schwingenden federn auf blauhimmeltafeln novemberverschweigendes ... |
||||
150 | buchenlaubwanderweg | |||
Vorschautext: buchenlaub raschelt farbfroher ohrenschmaus rotbraunpunktahornblatt weicht einem wanderschuh lufthüpfend aus buchenlaub rieselt goldgelber wirbelschnee mengt sich in braungewelk knisternder sohlentritt flüchtendes reh ... |
||||
149 | Kein Sigmatismus beim Wildschwein? | |||
Vorschautext: Ein Wildschwein lispelt nicht, man hört kaum Grunzlautbildung, die da stört. So üben in den grünen Auen nie Logopäden mit den Sauen. Ganz unvermutet traf ich geschtern drei Bachen, offenschichtlich Sweschtern, die grunschten, dasch ich kaum verschtand, wasch schie scho sprachen miteinand. |
||||
148 | Martinigänse | |||
Vorschautext: Vor Martini fürchten Gänse jedes Unbekannt mit Sense, denn Gerüchte schwirren, welche etwa Bratrohr oder Selche äußerst stark mit Gans verweben. Gift für unbeschwertes Leben. Um Bedenken zu zerstreuen, sollt man keine Lüge scheuen, in der Art, dass heuer Pfauen ihrem Tod ins Auge schauen. |
||||
147 | nah wie immer | |||
Vorschautext: trauertränen, dankeslächeln an den gräbern schweigendes verweilen vor den steinen kunstschmiedkreuzen chrysanthemen bilder und gedanken laufen stimmen wohlvertrauten klanges übertönen das gesäusel ... |
||||
146 | Endgültig vorbei | |||
Vorschautext: Noch zeigt die Birkenkrone Sonnengold, schon nagt der Wind am Zweig, er holt sich Blatt für Blatt. Bald zieren gelbe Bänder des sommermüden Wassers Uferränder. Das Dorf verblasst in Nebelschleiern. Ein Tretboot treibt, vergessen wohl, und senkt sein Spiegelbild ins fahle Blau, man schwenkt den Blick und lässt ihn streifend Regung suchen, nichts rührt, bewegt sich. Im Geäst der Buchen sitzt keine Krähe, Finken schweigen. ... |
||||
145 | Frühlingsmelodien | |||
Vorschautext: Der Frühling verkündet in vielfacher Weise sein Kommen, den Sieg über Wintergewalten. Erst lässt er im Tale das Buntblatt entfalten und bald dann die Orgeln der Sturzbäche dröhnen, wenn Lauwinde sich mit den Wechten versöhnen, sie rüsten zur jährlichen, fließenden Reise. Nun hüpfen sie wieder, die Wasserfontänen, die Wellen im Sprühtropfensprung über Steine. Die Bächlein begrüßen den Gilbstern am Raine, den Krokus am Waldrand, im Laub Anemonen. Dann schweigt das Gequelle, scheint Kräfte zu schonen, ... |
||||
144 | farbfraß | |||
Vorschautext: schwadiger farbfraß nebliger einton düstergedanken nicht zu erkennen tageslaufschranken eulen vermengen ruhen und jagen mahnkäuze klagen lang vor der vesper häuserkonturen ... |
||||
143 | Kühler Flächenbrand | |||
Vorschautext: Buchen tragen - wie die Birken - Goldbrokat als Herbstgewand. Auen, Moor und Hügelland leuchten auf und Hänge wirken unlöschbar im Flächenbrand. Auch die Lärche, eine Nichte immergrüner Bäume, glüht von den Höhen, wenn aus Süd Strahlen fallen. Tanne, Fichte sind um Rahmengrün bemüht. |
||||
142 | Seufzer eines Vollschlanken | |||
Vorschautext: Das Mastodon war sehr beleibt, blieb trotzdem selten unbeweibt. Man sieht, im Pliozän galt Fett als durchaus liebenswert und nett. Ach, war das Leben damals schen im Plio- und im Pleistozän. |
||||
141 | Stimmungsschwankung | |||
Vorschautext: Stimmungsschwankung, Wechselspiel, heiter, trübe, lau und kühl, Farbenwunder, Schwadenlast, Sommerlust und Winter fast. Was der Nebelmond so kann, zeigt er - Staunen weckend - an. Heute gibt er nur dem Licht rund um einen Teich Gewicht, taucht der Bäume goldnen Schein tief ins Blau des Spiegels ein, pinselt gelbe Kringel auf, lässt auch Schatten freien Lauf. ... |
||||
140 | Der Humor der Ringelnatter | |||
Vorschautext: Allzu ernst sind Klapperschlangen, ganz humorlos auch die langen Grünen Mambas. Kobras scheuen jedes Wortspiel. Witze freuen eigentlich nur Ringelnattern. Welch ein Beben, Flankenflattern, ungehemmtes Natternringeln, wenn die Pointen einmal klingeln. Nicht zuletzt aus diesem Grunde hören Ulk aus meinem Munde eher Nattern als die Ottern, würde dort wohl witzfern stottern. |
||||
139 | Baumkeuschheit | |||
Vorschautext: Die Tanne schüttelt ihren Wipfel. Sie sieht im späten Herbst den Gipfel verderbter Zügellosigkeit, die Buchen, Eschen ohne Kleid sowie die splitternackten Birken. Nichts könnte da lasziver wirken. Man sollt zum Schutz der Eibenjugend, zur Wahrung strenger Fichtentugend, der Laubgehölze Orgien von Deutschland bis Georgien, ja, weltweit mit Verbot belegen, ... |
||||
138 | Wurmkuss | |||
Vorschautext: In der Erde, unter Steinen lebt der Regenwurm mit seinen Bruderschwestern ohne Licht, frisst und stärkt die Humusschicht. Schon allein aus diesem Grunde hebe ich den Wurm zum Munde, küsse ihn aus Dankbarkeit. Dieses ginge wohl zu weit, meinen viele der Bekannten und fast alle Anverwandten. |
||||
137 | Es rasselt im Keller | |||
Vorschautext: Der Klapperschlange Endschwanzrassel fehlt – wie man weiß – der Kellerassel. Auch Mauerasseln enden nicht mit einer Klapper, sondern schlicht ganz ohne diese. Recht betrüblich, denn wären Asselrasseln üblich, dann schätzte diese jeder sehr, alleine schon vom Wortklang her. |
||||
136 | Nur ein Binsenschopf | |||
Vorschautext: Ein Schopf ragt aus dem Teich und fängt die Blicke, er taucht, im Spiegelbild sich doppelnd, wieder ein. Die Symmetrie des Bildes lässt auch Knicke der Binsenhalme voll graziler Anmut sein. Wie schwarzer Tuschefluss von Federspitzen auf eben handgeschöpften, feinen Bütten gleicht die Simse im Gewässer. Künstlerskizzen, die Herbstnatur dem Wundern offnen Auge reicht. |
||||