Titel | ||||
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121 | momentaufnahme | |||
Vorschautext: weit verstreut die blätter deines letzten briefes mit füller und tinte, alle vorwürfe sind geschwärzt, weggelächelt, denn sie sind nur ein dokument der einsamkeit, die auch du spürst; ich weiß nicht, welcher sprachart ich sie zuordnen soll, bleibt mir das verbrennen auf dem nasskalten balkon; vor mir diese schlanke vase mit den gelben plastikblumen, grau eingestaubt, ich mag, dass sie mir nie widerspricht; lerne, mit mir alleine zu sein, nicht, dass es leicht wäre; sind so viele eingebrannte narben in meiner alten ... |
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120 | Lasst uns Geschwister sein | |||
Vorschautext: Bin wach in der Nacht, halt einsame Wacht; ach sei bitte mein Nest und halte mich fest, rück nun näher zu mir, dann ich sage ich’s dir, schau zum Himmelszelt, ist so schön, diese Welt, ist so verletzlich und unersetzlich; doch wir nehmen’s nicht wahr, uns ist’s noch nicht klar; hilf uns, zu lenken und lass uns umdenken und endlich handeln, vielleicht lässt sich das Chaos ja noch verwandeln; wir haben nur diese eine Erde und beten dafür, dass Frieden bald werde; doch wenn wir die ... |
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119 | in Auflösung | |||
Vorschautext: inmitten ihrer Hinter- lassenschaft steht er und betrachtet mit melancholischer Andacht das chaotische Innenleben ihrer barocken Vitrine, diese einst nicht zu berührenden heiligen Schätze hinter stets ver- schlossener Glastüre, die Daguerreotypie des Urahnen, sorgsam vor Licht geschützt, die Vasensammlung aus drei Jahrhunderten, die zierlichen ... |
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118 | Welt im Wandel | |||
Vorschautext: In fernen Ländern herrscht Hungersnot und mit Sichel und Sense Gevatter Tod, wir sehen es uns in der Tagesschau an, wir spenden - und zünden ein Kerzlein an, seufzen erleichtert, wir sind hier geschützt, das Dumme ist, dass uns dies wenig nützt, das Unheil betrifft den ganzen Planeten, vielleicht hilft uns Hände falten und beten, wann haben wir es endgültig kapiert, dass der Klimawandel auch uns tangiert ... |
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117 | dann wird es gut | |||
Vorschautext: hör, wie dein Herz laut klopft im Trommelregen der Trauer, der Angst vor dem Einsamsein und dir den Schlaf stiehlt; die Jahre kannst du nicht umblättern wie ein abgegriffenes Buch, denn diese Seiten, sie kleben fest aneinander, und die Eselsohren, sie sind nicht mehr zu glätten; doch sie sind schön in ihrer Zerbrechlichkeit, schau genau hin; du weißt, was du in schwarzer Tinte geschrieben hast auf reines Papier, es ist unlöschbar und unumkehrbar; nimm ... |
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116 | Von dem Nebel, der über den Wiesen steht | |||
Vorschautext: Wieder ist’s weit nach Mitternacht, mein Tagwerk habe ich endlich vollbracht, krieche sinnierend unters Plumeau und frage mich zweifelnd, bin ich nun froh? Denke ich an die vergangenen Stunden – was habe ich heute getan und gedacht? Kam ich gelassen über die Runden? Bin ich beruhigt für den Rest der Nacht? Konnte den Haustürschlüssel nicht finden, musste mich mit Hausarbeit schinden, ... |
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115 | vorübergehend | |||
Vorschautext: was ich schrieb dachte sprach was ich lebte liebte tat es ist vorübergehend und endlich jetzt spreche ich zu euch und ich weiß dass ihr mich hört von den Wegkreuzungen des Lebens den Umarmungen und glücklichen Augen sich die Liebe zu gestehen mit offener Seele dem Summen der Telegrafenmaste und dem irren Klirren zerberstender Fensterscheiben und ich schüre nicht gelöschte Feuer in mir und in euch mit der Macht heiliger Worte auf dass sie die Wurzeln der Wunden die wir uns schlugen ausbrennen von der Kraft der Träume vom Frieden unserer frühen Jahre ... |
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114 | Herbstliches | |||
Vorschautext: in Moll erklingen sie, die alten Liebeslieder; das Jahr, es neigt sich wieder und wird langsam rund; nun färben sich der Bäume Blätter bunt; und doch verzeiht, es ist so weit, dass ich es sag, dass ich’s beklag’, zu viele Lebens Weggefährten haben mich verlassen, bevor die Narben falscher Worte ganz verblassen; wir haben über das, was wichtig ist, nicht mehr geredet, nicht mehr gemeinsam für die Welt im Lot gebetet; ich schreibe keine Briefe an mein Gestern, denn was verging, hält keine Botschaften bereit, ... |
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113 | Glück | |||
Vorschautext: In den Höllentraum vom Stürzen in den Abgrund ohne Boden drängt sich plötzlich jene Sehnsucht nach dem Schweben über schmerzgetränktem Leben fern von jeder Art von Toden, wenn wir himmelweit hoch flogen, wenn wir von der Welt abhoben, zärtlich um uns selbst geschlungen leise Sphärisches gesungen von der Hoffnung, dass sie bliebe, unsre zeitbegrenzte Liebe, wenn wir angstfrei jubelnd sprangen auch von allerhöchsten Klippen, fühlt ich mich von dir umfangen ohne nächtlich schweres Bangen, fern vom Leiden und vom Hassen unsre Hände sich umfassen, unsre Lippen, die es wagen, nie gedachte Worte sagen, sehn ich mich zu dir zurück, und der düstre Traum vom Fallen, er zerfließt in purem Glück. ... |
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112 | Zeit, die da kommt | |||
Vorschautext: morsches Pappelholz klopft zaghaft gegen das Mauerwerk, der Wind will Fugen lockern, und dunkle Steine lassen vergrabene Worte fliegen; die Liebe, die Sehnsucht, der Augenblick, alles ist so unendlich endlich; Abschied nehmende Hände streichen zärtlich über blinde Scheiben, vergilbte Fensterrahmen, du spürst den kalten steinernen Boden mit nackten Füßen und weißt, Schatten haben das Helle herausgeschnitten aus deiner Erinnerung; zögerlich schleichst du ein letztes Mal mit verschränkten Armen durch leere Zimmer, alle Bilder entfernt, deine Stimme formt sich am Ungewissen und kommt nicht über das Flüstern ... |
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111 | wirf ein Zeichen auf's Papier | |||
Vorschautext: bist am Ende vom Latein, musst mit dir alleine sein; fluchst und jammerst vor dich hin, zweifelst an des Lebens Sinn … dazu geb’ ich, in der Tat dir den einzig guten Rat – Notstand setzt zwar enge Grenzen, doch begreif, nun kannst du glänzen, wenn du in dir selber gräbst, wenn du endlich das auslebst, was du an Begabung hast, es bereitet Lust, nicht Last; lass dich von dir selbst berühren, lass dich vom Gefühl verführen, Zeit hast du im Überfluss, sie kann Segen sein, Genuss; hör ... |
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110 | Für dich | |||
Vorschautext: Der Tag hat sich im Grau verzehrt, so schemenhaft die Geister, auch du hast das Genie verehrt - in Fugen ist er Meister; ich lausch gebannt dem Celloklang, er tröstet mich tagtäglich, und dennoch ist mir oft auch bang – die Lage ist unsäglich; mein Stern, er flackert so verzagt, als wollte er zerspringen, ... |
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109 | Unbehütet | |||
Vorschautext: Den Haselnussstock abgelegt auf dem Fels hoch oben, da hockte sie zitternd aus Angst vor dem Ziegenbock, mit gesenkten Hörnern zum Angriff bereit, hatte sie ihre lieben Kühe wieder alleine gelassen auf der Milchweide, die sie bewachen soll, hatte erneut versagt, du taugst nicht zur Kuhhirtin, hörte sie von der alten Bäuerin, Mädchen aus der großen Stadt mit den langen Zöpfen, den traurigen ... |
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108 | und du lässt los | |||
Vorschautext: brennt kein Licht mehr ticken die alten Uhren zu laut in mir und in euch fällt das Bunte das Gute der Schoß der Vergessenheit hinter den Wolken stürzen sich Sterne verglühen im klagenden Bitten schließen die Tore sich ... |
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107 | an diesen sonnenarmen Tagen | |||
Vorschautext: an diesen sonnenarmen Tagen vielstimmigen Jammerns schmecken kalte Winde nach Tod, Not, nach Einsamkeit, versteckt sich die Wärme zugewandten Lächelns, die uns heilen will, hinter dem kalten Tuch verordneter Masken, droht die Liebe im Sumpf des Murrens, im Sprachlosen des Leidens zu ertrinken; an diesen sonnenarmen Tagen lauschen wir unter verdunkelten Himmeln zur Mitternacht schlaflos dem stillen Raunen der Vergangenheitsgeister, ... |
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106 | Vom Tanz auf dem Seil - prosaische Reflexion | |||
Vorschautext: Da kämpft man, müht sich, erklimmt höchste Höhen, bangt Hände haltend und meint, ein Ziel vor Augen zu haben und zu ahnen, was sich lieben heißt; redet über Nichtigkeiten und weiß doch, dass das explosive Innenleben rastlosen Denkens Dynamit enthält und mit gewissen zündenden Gedanken nicht in Berührung kommen sollte; und hofft unverdrossen weiter darauf, klug zu werden; von wegen, denk’s nicht, setz auch nicht auf deine Erinnerung mit ihren vergoldeten Dornen, Vergangenheit ist unwiederbringlich, ... |
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105 | du meine amaryllis | |||
Vorschautext: bleierne himmel so nacktschwarz die wälder träume, die lautlos zerschellen des nachbarn husten nebel, sie lasten so schwer ausgelesen die bücher angst in köpfen augen, die nicht mehr vertrauen fäuste in Taschen geballt ... |
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104 | Spät ist es | |||
Vorschautext: Die stete Sicht auf Glück, das einstmals war, vergesst sie bloß, denn man kehrt nie zurück in jenen warmen Schoß; nun ist der Mond der Koffer, die niemandem gehören und der Verspätungen, die nicht mehr stören; der fremden Orte und der nie gewagten Worte; seid nicht so träg, Gedanken, biegt euch weit, und auch ihr Bücher - schreit eure Wut ins blasse Nichts, sitzt zu Gericht mit dieser Welt; ihr Kröten, unkt laut, dass es gellt, bei Tag und Nacht, ihr habt die Macht; wir brauchen Wandel, rüttelt die Menschen aus dem Schlaf, bringt sie zum Handeln und weckt sie auf, dass Frieden werde; rettet die Erde; und du, rück nah zu mir, dass ich dich mag, das sag ich dir; wir brauchen Liebe jetzt und Zärtlichkeit, halten uns warm, nehmen uns schützend in den Arm; Nacht ist es und mein Herz klopft laut, ich öffne meine Augen, wache auf, ich atme kaum, denn es war mehr als nur ein Traum, und es ist wichtig, dass ich’s sag, es ist die Wahrheit, auch am Tag, selbst in der Sterne Zeichen kannst du es lesen - ja, dunkle Tage sind, du bist allein mit jenem Kind, das du gewesen; spät ist es, ich verlass mein Haus, flieg aus mir selbst heraus, lass mich herab am Seil, gewebt aus trocknen Tränen, ganz tief hinab ins Tal des Sehnens, und, der Vergeblichkeit zum Trotz, nach hellem Licht, dem sich Versenken; und auch dem Hoffen, ER wird es lenken. © M.M. |
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103 | Mein frohes Lied | |||
Vorschautext: In dieser dunkelgrauen Zeit des stummen Klagens, falschen Sagens, greif ich, von jeder Furcht befreit, nach deiner ausgestreckten Hand - und finde Trost so und auch Halt; in mir ist jeder Hass verbrannt; konturlos schwindet die Gewalt - sie wird zu strahlend hellem Licht, das meinen Tag zum Leuchten bringt; hörst du mein frohes Lied denn nicht - wie es vom Danken, Lieben singt? ... |
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102 | Das letzte Hemd - prosaische Gedanken zum Jahreswechsel | |||
Vorschautext: Von mir an mich zum neuen Jahr. Trenn dich … von der kitschigen Blumenvase, die du schon seit Jahrzehnten mit Abscheu betrachtest, lass sie fallen, Tante Erna lebt nicht mehr. … von schweren Gedanken, schreib sie auf einen Zettel, zerreiß ihn, wirf die Schnipsel in die Luft, der Wind wirbelt sie durcheinander, sie kehren leichter zu dir zurück. … von Erinnerungen an eine verflossene Freundin, ... |
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