Profil von Christine Biermann

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Anzahl Gedichte: 43
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Titel
23 Das katholische Kind.
Vorschautext:
Bigotter Gehorsam war dem Klerus geschuldet,
und von uns Kindern von klein auf erduldet.
Wenn Pfarrer Böckl, der gestörte,
uns Kinder im Beichtstuhl verhörte,
was für uns Kleine grässlich,
ob die Sünden schwer waren oder lässlich.
Er lockte Geständnisse aus uns Zwergen;
wir hatten wahrlich nichts zu verbergen.
Mit List konnten wir uns überwinden,
harmlose Sünden zu erfinden.
Manch lange Buße, die auf mich gekommen,
hab ich mit nach Haus genommen.
...
22 Mein Freund, der Sepp.
Vorschautext:
Lieber Sepp,
ich bin noch auf der Welt,
muss zusehen, wie dein Sägewerk zerfällt,
ich bin die einzige, die um dich weint,
es ist keiner mehr da, wie es scheint.
Sepp, deine Nummer steht noch im Netz, es ist eine Vision,
denn du bist 2o Jahre tot und kannst nicht mehr ans Telefon.
Sepp, ich höre noch die schrillen Töne in unseren Kinderohren,
wenn Baumstämme auf den Loren,
zersägt von dem geschwinden Blatt mit den scharfen Zähnen
die Luft puderte mit Sägespänen.
Die Bretter wurden gestapelt und hoch getürmt,
...
21 Selber alt geworden.
Vorschautext:
Wurde früher einer Achtzig den man kannte,
Freunde, Nachbarn oder Verwandte
war es eine höfliche Pflicht,
zu gratulieren, mehr war es nicht.
Da hielt man in der Hand ein Päckchen Kekse und Kaffee für die Küche, sagte auf die edlen Sprüche,
wie gut er war im Werte,
wie man ihn schätzte und verehrte.
Man wünschte ihm das Lied vom langen Leben
wollte ihm mehr Zeit und Zuwendung geben,
zu der man so jung nicht war imstande
das eigene Alter noch ganz am Rande.
Dem Himmel sei Dank,
...
20 Der Dieb.
Vorschautext:
Ein kleines Häuschen, zentral gelegen,
für die dort Wohnenden ist das Haus ein Segen.
Die U-Bahn fährt zum „Tor der Welt“;
man kann schon sagen: es gefällt.
Wir sind ein Teil dieser alten und neuen Generation,
wir wohnen da über 4o Jahre schon.
Jung waren wir, von Freunden umworben.
Inzwischen sind wir alt geworden.
Lange Wege werden weit,
und alles mündet in Bescheidenheit.
Frau managt den Tag, der Mann kann nicht mehr,
das Auto aber fährt noch ER.
...
19 Silber, Gold und Diamanten.
Vorschautext:
Heutige Jubelhochzeiten, veredelt mit Metallen,
sind ziemlich aus der Zeit gefallen.
Das Silber ergibt sich nach 25 Jahren; da ist man sich meist nicht mehr im Klaren,
ob man verlängern will oder nicht.
Viel Negatives erschwert das Gewicht.
Und immer fällt einem die Frage ein:
„Soll das alles gewesen sein?“
Was soll denn mit Fünfzig noch erfolgen!
Soll man warten bis sich die Jahre vergolden?
Nein, so eingefahren will man das Leben nicht verbringen;
Kinder aus dem Haus, nochmal von vorne beginnen?
So manches Bündnis ist daran zerbrochen,
...
18 Der greise Schritt, zweiter Teil.
Vorschautext:
Der alte Mann in der Geriatrie zweiter Klasse
hält zitternd die heiße Schnabeltasse
an seine wunden Lippen,
er kann nicht viel trinken, nur daran nippen.
Sein Gesicht ist immer noch schön,
nur schmal ist es, die Augen blass, das kann man seh`n,
auch die Schläuche, die seine Lungen beleben,
ihm Sauerstoff zum Leben geben.
Das Herz, es bemüht sich im Takte rege,
Körper und Geist ruhen apathisch träge.
Die alte Frau, der alte Mann-
halten sich ganz fest an den Händen,
...
17 Inflation.
Vorschautext:
Die gute Zeit hat sich überzogen,
„PENG“ springt die Feder aus der Uhr;
das Werk ist hoffnungslos verbogen,
es leiden der Planet, der Mensch, die Natur.
Besonders betroffen ist die Moderne,
denn verwöhnt durch Werbung und Konsum,
kannten die Kinder nur Pizza und Müslikerne,
wer bürgerlich kochte, dem nahm man`s krumm.
Doch dann kamen Corona, Krieg, Sanktionen und Inflation.
Völlig Unbekanntes für die Demokratie-
und für die vom Frieden geschonte Generation.
Auf einmal hat nichts mehr Garantie.
...
16 Immer ein Flüchtling.
Vorschautext:
Eine Zypressenhecke umarmte weithin den Park, indem die Villa stand;
wir waren Flüchtlinge aus dem Sudetenland.
Von vierzehn Zimmern in dem Haus, hatten wir zwei bekommen,
Mutter, Vater, Kind, bald auch den Großvater zu uns genommen.
Parkettfußboden, Filzpantoffel, immer untergeordnet ergeben,
Kindergeburtstage musste ich ohne Freundinnen erleben.
Wir waren arm, doch ich, noch eingebildet naiv, fühlte mich als „etwas mehr“,
kam ich doch immer über den Kiesweg von der Villa daher.
Die Mami war schön, der Vater war groß,
ich wohnte stolz in dem elitären Märchenschloss.
Mami schrieb für die Kinder Theaterstücke, welche sehr gehoben,
dafür durften die Kleinen einmal im Jahr in der Villa basteln und proben,
...
15 Sie.
Vorschautext:
Ein Kleinod ist ihr eigener Film,
verborgen in ihrem Innern.
Jetzt weilt sie täglich irgendwo.
Die Bänke gehören ihr, sie laden sie zum Bleiben ein.
Die Musik im Ohr spielt nicht mehr so viel Fado; viel mehr lässt sie die Noten im Walzer tanzen.
In ihrem Herzen ist Poesie.
Sie sieht von ihrem Platz aus die Alten, die Jungen, die Schwachen,
die Invaliden, Menschen aller Nationalitäten,
die Kinder, die Mütter, und sie fragt sich, was ihnen beschieden ist, was ihnen noch bevorsteht im Leben.
Flitz, flitz, Momente wie der Blitz, alles geht an ihr vorüber: Kinderwagen, Rollatoren, Rollstühle, in denen oft noch junge Menschen sitzen,
sie bedauert die Gebückten, die ihre Last kaum tragen können.
Alles sieht sie mit Verinnerlichung.
...
14 Hymne auf mein Rad.
Vorschautext:
Es fährt mich 5o Jahre schon – und noch länger.
Es hat Masse an Waren auf dem Buckel getragen:
vorne im Körbchen, in den Packtaschen und dem Weidenkorb auf dem Gepäckträger.
Es hat die Eltern versorgt, als sie krank waren,
uns selbst natürlich, und Geld gespart,
denn es musste nicht getankt werden, zeigte sich damals schon vorbildlich umweltbewusst.
Es hat keine Gangschaltung, flitzt mit mir leicht durch die gerade Ebene und bringt mich überall hin.
Sogar bis nach Volksdorf, den mir nahen Stadteil von Hamburg.
Der Rahmen lächelt noch Firmenlogos,
die Schutzbleche sind abgenutzt verzogen,
der Dynamo quält sich beim Antreten,
aber ich liebe es so, wie es eingefahren ist.
...
13 Weniger ist mehr.
Vorschautext:
Für einen, der pausenlos telefoniert,
wird das Reden zum Ego- Wahn,
nämlich, wenn er es anwendet ungeniert...
auf der Straße, in der Kirche, am Zebrastreifen, in der Bahn.
Wenn er vom Phon-Kontakt so fasziniert,
dass er`s nicht mehr lassen kann,
sich präsentieren muss in der Menge,
wird`s schlimm für den Nebenmann,
der kritisiert die Quassellänge.

Es gibt auch welche, die nicht so digitalisiert,
lieber gedanklich für sich kommunizieren,
...
12 Der Führerschein mit 60.
Vorschautext:
Von meinen zwei Rädern hab ich schon geschrieben.
Bin gern an der frischen Luft geblieben.
Nach Autos stand uns damals nicht der Sinn,
wir waren meist gepulvert in Schutt und Asche drin.
Schließlich:
Nach einem Auto schlossen sich noch viele an,
gesteuert von meinem genialen Ehemann.
Kam gar nicht auf die Idee selbst zu fahren,
was sollte das– jetzt noch- in meinen späten Jahren?
Als ich meine Berufszeit hab beendet,
hat sich das Blatt doch noch gewendet...
Die Azubis in meiner Zentrale,
...
11 Soldat.
Vorschautext:
Er muss in den Krieg, ob er will oder nicht.
Hüben wie drüben.
Er kann nichts dafür, er hat ihn nicht gewollt.
Er ist jung, er wollte lernen, lieben, leben.
Ja, lieben, leben....
Er wäre lieber daheim geblieben.
Er wurde eingezogen und für das Töten dressiert.
Er wurde geholt aus der tiefsten Provinz,
wo Vater und Mutter nun weinen und die Großmutter dazu,
deren Mann in einem anderen Krieg geblieben ist.
Hüben wie drüben.
Er wird zum Töten abgerichtet, braucht Wodka zum Suff,
...
10 Am Leben dran.
Vorschautext:
Sie hört Jazz, dann wieder Klassik und Blues.
Sie stürzt sich in Fado, ertrinkt in der Musik.
Sie schreibt Texte in Noten,
denn sie hat Zeit…
und doch hat sie keine.
Sie ist allein und dann wieder nicht.
Sie braucht nicht viel Schlaf,
das macht ihr nichts aus;
sie schwebt zwischen Tag und Traum
im Zwischenraum.
Ein Jahr auf der Friedhofsbank mit ihren Gedanken,
die sie abhoben und schweben ließen,
...
9 Mozartkugeln.
Vorschautext:
„Brösel kleben an deinem Mund
du sollst nicht so viel Kuchen essen
Zucker ist so ungesund
hast du das schon vergessen?“
Verführt von den Teufelchen, den bösen,
von den Glucosen, die bis in die Adern dringen,
möchte ich mich von der Sucht erlösen,
dem Blut cleane Werte bringen!
Nur, ich versteh die Welt nicht mehr,
nie mehr zum Konditor gehen dürfen oder in die Confiserie
wo`s gibt die Mozartkugeln in Zellophan,
die Pralinen, die zublinzeln mit Koketterie,
...
8 Auf dem Mond-Fortsetzung.
Vorschautext:
Neulich, bevor ich mich an den Geldautomaten wagte-
und meine Courage versagte,
bat ich eine Mitarbeiterin der Bank sich zu bemühen,
mir über die Schulter zu schau`n beim Ziehen,
damit ich alles richtig mache,
für mich noch eine komplizierte Sache.
Der Blick der Dame sprach schon Bände,
als sie vom Computer liess die Hände,
und mir deutlich zu verstehen gab,
dass ich sie permanent gestört jetzt hab`.
Ungnädig erhob sie sich vom Sitze,
ihre Antwort kam dann spitze:
...
7 49. Geburtstag.
Vorschautext:
Nach vielem Grübeln, Rätseln,
Denken, was könnt ich meiner Liebsten schenken,
unnötig sollt` s nicht sein,
da fällt mit nur ein Gutschein ein.
Mit zunehmenden Jahren
muss auch die schönste Frau erfahren,
wie das Spiegelbild nicht mehr nur schmunzelt,
weil es an manchen Stellen runzelt.
Wenn der Frische nicht mehr genug,
höchste Gefahr ist in Verzug.
Jetzt oder nie,
dafür gibt´s die Beautyindustrie…
...
6 Nichts tut mehr weh.
Vorschautext:
Nichts tut mehr weh.
„Jedem Hass wohnt eine tiefe Sehnsucht nach Liebe inne.“
Konstantin Weckers Weihnachtsrede, diese versöhnenden geistigen Worte
unterstreicht seine auch meine Erkenntnis:
„Erst wenn ich den Nächsten verstehe, kann ich mich begreifen.“
Das heißt: Hass nicht mit Hass beantworten, schweigen auf Gebrüll,
Drohungen und Verletzungen, weiter lieben, auch wenn man als Feigling verachtet wird. Immer die Hand zur Versöhnung reichen.
Ich nahm viel von dieser Rede auf mein Phone auf, wahrscheinlich in der
weisen Voraussicht, dass ich sie für meine Seele brauche, um den Eimer
Schmutz, der auf mich geschüttet wurde, zu ertragen.
Hinsichtlich meiner schweren Erkrankung, die ich beinahe nicht überlebt habe, bewahre ich meine Haltung mit Würde und Dank.
Ich werde mit Liebe beschützt.
...
5 Knopf im Ohr.
Vorschautext:
Kürzlich fuhr ich von HH nach München für zwei Wochen,
saß mit vier jungen Menschenkindern im Abteil,
fühlte mich von ihnen angesprochen,
bevor ich begriff nach einer langen Weil`,
dass ihre Plaudereien, die über einen Knopf im Ohr verbunden,
nicht mir galten über sechseinhalb Stunden.
Wie das böige Blätterlaub, so purzelten die vielen Namen durcheinander,
bald kannte ich sie alle: die Emma, die Greta, den Nikolaus und Alexander.
Ein anderer über seinem Laptop saß,
Zeit und Mitreisende vergaß;
die Tastatur seit Hamburg schon,
textete vermutlich seine Dissertation.
...
4 Der Stein.
Vorschautext:
Der Stein.
Freund, ich bin hier, du bist dort,
immerfort
wächst und wächst, was zusammengehört.
Es wär` alles so leicht, wenn der Stein nicht da läge,
der dort nicht hingehört;
der Brocken Fels, der unseren Frieden beschwert.
Absichtlich wurde er dorthin gewälzt, er soll liegen,
denn das Gemeine wird immer siegen.
Da liegt er, der Stein, der sich nicht bewegt,
uns permanent im Wege steht.
Er lässt sich nicht schieben, auch wenn wir kräftig wollen;
...
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