Sechszeiler

Ein Gedicht von Ingo Baumgartner
Sechszeiler 1

Fast niemand im Bekanntenkreis,
ich habe gründlich recherchiert,
will Tollwut haben. Ein Beweis,
dass Wohlstand ein Verhalten schürt,
das jegliche Natürlichkeit
verwirft. Ein Ärger unsrer Zeit!

Sechszeiler 2

Die Zweitaktmotorkettensäge
ist hilfreich bei des Waldes Pflege.
Beim Kauf von Schmuck, bei Geldbehebung,
verspricht sie ebenfalls Belebung.
Sie sichert dir auch Fenstersitze
in Zügen durch der Zähne Spitze.

Sechszeiler 3

Ein Muskel, Kammern, Vorhofkappen,
viel Blut auch zwischen Segelklappen,
so liegt – im Aufbau primitiv –
leicht linkstendierend, wohl auch schief
und leicht frustrierend irgendwie
das Zentrum aller Poesie.

Sechszeiler 4

Ein Axolotl sitzt in Münster
bei Frankfurt, Hessen. Es ist fünster.
Im insulanen, schönen Minster,
in England ist es auch schon finster.
So bleibt der Axolotl sitzen,
verreisen würde auch nichts nitzen.

Sechszeiler 5

Ein Schuster bleib bei seinem Leisten,
so hört man oft. Doch welch Erdreisten,
den braven Handwerksmann an seiner
Entscheidungkraft in solch gemeiner,
perfider Weise zu beschneiden.
Den Schuster kann man nicht beneiden.

Sechszeiler (6)

Gescheite Menschen sind wohl Raritäten,
doch Oberlehrer haben niemals Unrecht
und falsche Wimpern, merke ich betreten,
sind ziemlich unbequem und wirken unecht.
Noch mehr an solcher Weisheit mitzuteilen,
ist simpel gar nicht möglich in sechs Zeilen.

Sechszeiler (7)

Noahs Arche fasste alle
Tiere, so die Steinkoralle,
das Gewürme und Geschnecke,
ja, sogar die Stabheuschrecke.
Zum Bedauern der Natur,
buchte Noah auch die Tour.

Sechszeiler (8 )

Im Schädl a Räuschl,
so sitzt er im Sattl,
sticht Gretl das Blattl
vom Dolch in das Beuschl.
Nun sitzt er im Kottl,
Ramirez, der Trottl.

Sechszeiler (9)

Ich sitz in meiner Gartenlaube
und träum von Weltverbesserung.
Weil’s kalt ist, trag ich eine Haube,
vom Nachbarn her riecht streng der Dung.
Das ist es, was mir mehr missfällt,
als alle Krisen dieser Welt.

Sechszeiler (10)

Da Vinci, biblische Geschichte
verklären Adams Ebenmaß.
Als Schönling wandelt er im Lichte
des Gottgefallens übers Gras.
Er war jedoch, so nehm ich an,
nicht schöner als ein Pavian.

Sechszeiler (11)

Der Auerochse oder Ur
genießt die himmlische Natur
auf Wolke sieben oder acht
(was keine Unterschiede macht).
Er singt zur Harfe fromme Lieder
und kaut auch hin und wieder wieder.

Sechszeiler (12)

Der Herrgott schuf zuerst zur Probe
nur Pflanzenfresser, carniphobe,.
Es ging nicht gut, wir wissen das,
ein Tiger spielt nicht Caritas,
der frisst, wie Manfred Posch aus Wien,
nur Fleisch und nie ein bisschen Grün.

Sechszeiler (13)

Die Tätigkeit der Philologen
ist wenig küchendienstbezogen.
So nagt Professor Edmund Gmachel
noch heute am Ausdruck Gurkenhachel.
Man sieht, der Germanistik Stand
ist tadelnswert in unsrem Land.

Sechszeiler (14)

Kamelmist heizen Beduinen,
wie andre Holz und Kohlenstein,
die fehlen nämlich in den Dünen.
So heizt der Scheich mit Fladen ein.
Wann immer Öl zu kaufen ist,
denk ich ans Dromedar samt Mist.

Sechszeiler (15)

Richter mit Entschlussproblemen
sind nicht angenehm, sie nehmen
dir die Zeit, erhöhen Kosten.
Also wünsch ich für den Posten
Leute, die mit Vorurteilen
schon zur ersten Sitzung eilen.

Sechszeiler (16)

Zum Tölpel sagt die Trottellumme,
geh, rücke doch ein bisschen umme!
Der Tölpel aber denkt nicht dran,
ein Tordalk fängt zu kreischen an.
Aus ungetauften Vogelhälsen
dringt bald ein Heidenlärm vom Felsen.

Sechszeiler (17)

Die Wäschespinne ziert bescheiden
und liefert auch nur mäßig Schatten.
Die Sonnenschirme aber kleiden
den Garten. Nutzlos sind Debatten,
Vergleiche ebenso. Nur kranken
Gehirnen kommen solch Gedanken.

Sechszeiler (18 )

Es scheint ein Außenohr zuweilen
durchs Haar dem Kopfe zu enteilen.
Das finden manche lächerlich.
Die Träger aber ärgern sich
nicht länger. Ein bekannter Windsor
trägt ebenfalls ein solches Windsohr.

Sechszeiler (19)

Ein Mauerblümchen stand,
- na wo schon – an der Wand
und mauerblümte,
sah nie berühmte
Verwandte, zum Bedauern!
Es sah nur Mauern.

Sechszeiler (20)

Alkaloide, Parafin,
auch Säuren, Harze, Arnicin,
Trihydroxiirgendwas,
vielleicht ein bisschen Edelgas
sind volksheilkundlich eingebaut
im Arnika, dem Engelkraut.

Sechszeiler (21)

Es wächst das Edelweiß zum Glück
hoch droben, oft ein ganzes Stück
vom Tal entfernt im Felsgestein.
Ein Segen für die Blümelein,
sonst würden sie als Blumenspenden
und Tischschmuck ihr Genom beenden.

Sechszeiler (22)

Die Sanduhr trägt man nicht am Arm.
Doch hätt es– zugegeben – Scharm,
das Elle-Speiche-Drehgelenk,
des Sandflusswechsels eingedenk,
zu wenden. Dieses Drumherum
wär zweifellos ein Gaudium.

Sechszeiler (23)

Ein Gänserich, streng monogam,
verkümmert fast, vergeht vor Gram,
wenn seine Gans ins Jenseits fliegt.
Der Haushahn kann, was nahe liegt,
die Trauer nicht verstehn, er hat
für solchen Fall Ersatz parat.

Sechszeiler (24)

Ein Bügeleisen glättet und
ist hin und wieder ungesund,
wenn es nach längeren Debatten
den Schädel trifft, weil Ehegatten
den Streit, man hasst internes Fluchen,
ganz friedlich auszubügeln suchen.

Sechszeiler (25)

Die Hexe, die der Brüder Grimm,
verbrannte ganz, es war sehr schlimm,
da Gretel sie ins Feuer stieß
und dann das Hexenhaus verließ.
Die Kremation erfolgte billig,
wenngleich zum Anfang widerwillig.

Sechszeiler (27)

Ein Walross passt nicht wie Sardinen,
auch die kleinsten nicht von ihnen,
in Dosen. Es wär furchtbar schade
ums Öl und um die Marinade,
versuchte man die Del‘katessen
ins Aluminium zu pressen.

Sechszeiler (28 )

Mich stört das läppische Gejammer,
das Jaulen, das ein schwerer Hammer
bei Fingerquetschung von Herrn Reiter
zum Hörerlebnis macht nicht weiter.
Da ist das Huber‘sche Gewimmer
zu solchem Anlass weitaus schlimmer.

Sechszeiler (29)

Die Brechstange, Werkzeug der Guten und Bösen,
verhilft auch gastrale Verkrampfung zu lösen.
Man führt das Gestänge zum Ort dieses Übels,
als nützlich erweist sich der Dienst eines Kübels,
dann wird dieses Eisen dem Namen gerecht
und dir – wie erwartet – kotzübel und schlecht.

Sechszeiler (30)

Slavik heißt die Nachtigall,
Bulbul auch, von Fall zu Fall
Bülbül, Solowey, ihr Solo
singt sie auch als Usignolo.
Ich vermerke aber ehrlich,
solches Wissen ist entbehrlich.

Sechszeiler (31)

Johann stand zu seiner Liebe
zu dem Hypoidgetriebe.
Ja, er liebte Kegelräder
mehr als unsereiner. Jeder
kannte seine Leidenschaft
für verteilte Zahnradkraft.

Sechszeiler (32)

Brillenschlangen hält Herr Maier,
er vermutet Brilleneier
würden Brillenträger reizen,
beim Verzehre nicht zu geizen.
Doch schon erste Ei-Entnahmen
lassen Maiers Herz erlahmen.

Sechszeiler (33)

Sprech nix po-russki, wirklich, njet,
auch wenn ich’s gerne können tät,
sprach Olga, eine Küchenschabe,
genannt auch Russe oder Schwabe.
Auch Schwäbisch schien ihr unlernbar,
womit sie nicht alleine war.

Sechszeiler (34)

Den Hundefloh stört Schwanzgewackel
vom Bernhardiner und vom Dackel,
vom Spitz, sowie vom Schlittenhund
vom Mops, vom Münsterländer und
vom Dobermann, der unkupiert
den Körperfortsatz gleichfalls rührt.

Sechszeiler (35)

Leute rufen, schaut, das ist er,
der famose Herr Minister!
Lasst uns seine Exzellenz
doch bestechen, jetzt im Lenz
ist er gar nicht abgeneigt,
dass man ihm was Bares zeigt.

Sechszeiler (36)

Die Stimme eines Pflastersteines
liegt außerhalb des Hörbereichs.
Es dränge sonst nicht Allgemeines,
nur Unflat, Worte des Vergleichs
mit allem Bösen, Degoutanten
ans Ohr der lauschenden Passanten.

Sechszeiler (37)

Es verband in Wolgograd
der Wahnsinn sich mit einer Tat.
In Buxtehude, nah der Elbe,
passierte auf ein Haar dasselbe.
Ich denke, das Kompositum
gibt’s auch um Fürstenbrunn herum.


Sechszeiler (38 )

Das Kurkonzert in Baden-Baden
befand sich in der Zielgeraden,
als Dirgent Karl Otto Frieß
laut hörbar etwas Luft entließ.
Die Leute sahen das als Ende
und ovatierten in die Hände.

Sechszeiler (39)

Herr Huber brach sich das als Schiene
bekannte Bein. Mit Leidensmiene
saß er im Warteraum, dort stank es.
Es war Natürliches, nichts Krankes.
Doch wünschte er – der dies gerochen -
das Schienbein wäre nicht gebrochen.


Sechszeiler (40)

Dem Weine ähnlich ist der Essig,
dem Önologen ist’s nicht neu.
Der Sauersaft bleibt zuverlässig
dem Grundgeschmack sehr lange treu.
Auch schenkt man regelmäßig Wein
- perfekt getarnt als Essig - ein.

Sechszeiler (41)

Gequält wirkt das Lächeln.
Das heftige Hecheln
des Marathonersten
vorm Lungenzerbersten,
erstickt mein Bestreben
gesünder zu leben.

Sechszeiler (42)

In einem Park von Sindelfingen,
da wimmelt es von Schmetterlingen.
Man lässt sie, da sie niemand stören,
gewähren. Heimlich, kann man hören,
beenden Daumen Falterleben.
So sind die Sindelfinger eben.

Sechszeiler (43)

In Kurdi-, Paki-, Hindustan
verbalzt der stolze Auerhahn
nicht eine Stunde seiner Zeit.
Er nimmt die Henne, die er freit,
noch unbeschaut. So macht’s der Hahn
in Kurdi-, Paki-, Hindustan.

Sechszeiler (44)

Ein Ochsenfrosch ist nicht kastriert,
worüber er sich freut. Er führt
ein Leben ganz nach seiner Art.
liegt tagelang im Sumpf und harrt
der Dinge, die da kommen werden
und lächelt über Lärmbechwerden.

Sechszeiler (45)

Im Falle, dass ich einst erbleiche,
ergänze man die fahle Leiche
mit einem Fichtenzweig im Mund,
das Jagdhorn blas man eine Stund,
dann weide man mich aus. Es geht
mir nur um etwas Pietät.

Sechszeiler (46)

Normannen besiegten
die Angeln und Sachsen.
Die Engländer kriegten,
französisch durchwachsen,
beef, mutton and pork
und mayors in York.

Sechszeiler (47)

Das fegende Feuer – es brennt purgatorisch,
ist kritisch betrachtet, beinahe historisch.
Heut werden die Seelen vom Feuer entbunden,
dafür esoterisch im Diesseits geschunden.
Der Unterschied liegt im Verbrauch von Banknoten,
doch sonst wird viel Äquivalentes geboten.

Sechszeiler (48 )

Es liebten die Hunnen die Hunninnen sehr,
nun, manche halt weniger, andere mehr.
Wie’s umgekehrt war, das entzieht sich dem Wissen.
Zentraleuropäische Forscher vermissen,
genauere Daten, wie Hunninen Hunnen
liebkosten am Randstein mongolischer Brunnen.

Sechszeiler (49)

Er hielt ein Nashorn sich als Haustier,
das war das unbedingte Aus für
den Paderborner Bürgermeister
Heinz Paus, ich glaub so ähnlich heißt er.
Er ist ein Mann der CDU,
mehr weiß ich leider nicht dazu.

Sechszeiler (50)

Man kennt den Schirm als wahren Segen,
bei Wolkenbruch und Dauerregen.
Doch regnet es durch Zufall nicht,
dann führt alleine sein Gewicht
zur Endzeitstimmung, Armageddon
hört sich vergleichend furchtbar nett on.

Informationen zum Gedicht: Sechszeiler

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-
23.04.2014
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