Wasserstandsmeldungen

Ein Gedicht von Gabriele Weinschenk
Ich nahm heute den Globus zum Entstauben auseinander,
seitdem glänzt er wieder, allerdings ist die Achse nun besonders schief.
Die Kontinente passen noch weniger zueinander.
Glucksend schleifende Geräusche kommen aus der Waschmaschine,
sie blinkt überall und zeigt auf Pumpe.
Am Bullauge steigt der Wasserstand auf zwanzig Zentimeter tief.
Auf meinem Konto herrscht absolute Ebbe, seitdem man mich betrog.
Die Polizei tut nichts, ist ungerührt,
meine Rechtsschutzversicherung sei erloschen,
schreibt man mir in einem Brief,
das zum sofortigen Verlust des Schutzes führt.
Nicht nur am Briefkasten ist es kühl,
hier stinkt`s, nicht nur im Treppenhaus herrscht alter Mief.
Und gegenüber, bei der Kirche,
fliegen Zeitungen herum und altes Gelumpe.
Meine Küche bleibt heut kalt und auch morgen ist sie außer Betrieb.
Muss das alles erst verdauen und überlegen,
was zu tun und wie es weitergeht.
Lieber freue ich mich kindisch
auf meinen Kaffee und ein neues altes Buch,
das ich vom letzten Geld bezahlte.
In diesem sind recht schöne Bilder,
die der Wolfgang Hildesheimer schrieb und Janssen malte.
Akkumulation des Grauens sind die Worte,
die ich erfasse, weil mein Auge als Erstes darauf stieß …
Wie ich das Leben (sogar beim Lesen)
manchmal hasse …



© Gabriele Weinschenk o4 o2 2o17

Informationen zum Gedicht: Wasserstandsmeldungen

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04.02.2017
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