Die man vergessen glaubte

Ein Gedicht von Rainer Burggräfe
In manchen Nächten schaue ich
verstrichene fünf Jahrzehnte,
und all die Menschen finden mich,
die längst ich schon vergessen wähnte.

Es tun sich alle Straßen, Pfade, Wege
vor meinen traumgeschlossenen Augen auf:
Ein Junge bin ich weder – und ich lege
in Emmas Hände Murmeln:
und mein Herz ganz oben drauf.

Ich halte droben, an der alten Brücke,
als junger Mann zwei Hände, zart und schmal,
die brechen drauf voll Kraft in lauter Stücke
mein Herz – das ich voll Liebe ihnen ganz befahl.

Im alten Dorfkrug nach dem Tanze,
halt ich im Arm Constanze.
Denk es sei für immer.

Nimmer, nimmer
deuchte mir
mein Herz sei nicht
für immer hier.

Es folgen Mauern, Plätze, Lichtungen,
Wege in verschiedenen Richtungen,
Hände, die sich fanden, wieder lösten,
drauf Arme die mich halten, trösten.
Und endlich ein sich-an-der-Sonne-wähnen
bis wieder graue, kalte Winde gähnen.

Ich reib den Schlaf mir aus den Wimpern,
der Tag scheint hell, so klar und rein.
Von fern hör ich ein Radio klimpern:
Was war wird nie vergessen sein…



Rainer Burggräfe im Jan. 2017

Informationen zum Gedicht: Die man vergessen glaubte

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14.01.2017
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