Mein eigenes Geburtstagsgeschenk

Ein Gedicht von Wolf-Rüdiger Guthmann
Weil neulich mein Geburtstag war,
war zwischen Handwerksnachbarn ich der Star.
Und wer, mich schädigend, viel aß und trank,
verspürte irgendwann den fließenden Drang.
Nach und nach waren dann alle schon
mindestens einmal auf dem Thron.

Als Erster doch der Tischler kam
und heimlich dort das Maßband nahm.
„In deinem Badezimmer ist alles Holz
auch nicht mehr dein Besitzerstolz.
Der Holzwurm und die Feuchtigkeit
zerlegen alles in kurzer Zeit.

Der Fliesenleger fand beim Blase leeren
Gründe sich über die Fliesen zu beschweren.
Und der Maurer sah in der Ecke
Schimmel, der Baufehler bedecke.
Der Elektriker hat erst gar nicht geschaut,
„Das ist doch alles mit Alu gebaut.“

Den Wasserklempner hat der Schock gepackt,
„Die verzinkten Eisenrohre sind versackt.“
Der Feuerwehrhauptmann sagte „Seht nur, seht,
die Badezimmertür falsch nach innen geht.
Wenn dort jemand fällt und sich legt,
die Feuerwehr helfend die Tür zerschlägt.“

Der Heizungsbauer kam, sah und sprach kaum,
„Nur der Hintern wärmt hier diesen Raum.“
Den Dachdecker das Flachdach interessierte,
das er gedanklich schon mit 12 cm isolierte.
Und kein Mädchen wird in das kalte Bad huschen,
um mit unserem Sohn in der Wanne zu duschen.

All dieser Worte und Gedanken eingedenk,
machte ich mir selber ein Geschenk.
Jeder, der lästernd unser altes Bad entdeckt,
bekam einen Erneuerungsauftrag zugesteckt.
Der Nachbar musste sich bei einer Reha bewegen,
so konnten wir seine Toilette belegen.

Und das Chaos nahm seinen geordneten Lauf,
Fliesen, Keramik und Rohre türmten zu hauf.
Es bohrte, schlug, spritzte und staubte
an eine Ordnung niemand mehr glaubte.
Die Tür raus gerissen, zuvor die Gardine,
jetzt sah der Raum aus wie eine Ruine.

Der Dachdecker als erster das Dach renovierte,
der Maurer die Wände mit Platten verzierte.
Dann kam der Elektriker, verlegte Kabel,
und der Maurer verputzte das symbolische Babel.
Die Heizungsbauer verlegten Fußbodenschlangen,
dem Fliesenleger die Estrichschienen klangen.

Frischer Fußboden und feuchte Wände rochen,
jetzt trocknete alles in Ruhe zwei Wochen.
Inzwischen wurden bestellt und empfangen,
Sitze, Becken, Fliesen und Stangen,
Kleber, Farbe, Tür und Klinken
Schalter, Dosen ohne Bier zum Trinken.

Am Montag ging das Chaos weiter,
einer saß unten, einer stand auf der Leiter.
Sie mussten eine Linie nivellieren,
und Leitungsschächte anvisieren.
Erst Strom zu den Steckdosen bringen,
damit Bohren, Sägen und Schleifen gelingen.

Ich war kaum zwei Stunden fort ,
da war schon verändert dieser Ort.
Der Fliesenleger die Fugen wischte,
aus Ventilen Prüfdruck zischte.
Der Tischler die Tür Höhe verfluchte
und nun Fitschen Ringe suchte.

Der Maler noch die Decke strich,
das Bidet dem Karton entwich.
Die Waschmaschine kam wie ein Gockel
gleich auf einen gemauerten Sockel.
Und als künftiger Zuschauer Spaß
wurde die gesamte Duschkabine aus Glas.

Ich fuhr zur Bank nahm einen Kredit,
die Erben zahlen doch nach mir mit.
Gestern, nach der Reklamationsdauer,
kamen zur Einweihung all die Erbauer.
Mit welcher Frau ich unter die Dusche gesunken,
kann ich nicht sagen, ich war vor Glück trunken.

08.03.2017 © W.R.Guthmann

Informationen zum Gedicht: Mein eigenes Geburtstagsgeschenk

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08.03.2017
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