Die Illusion vom großen Sieg

Ein Gedicht von Jörg Edler
Vorwort

Es scheint als ob, naturbedingt,
ein steinzeitlicher Ur-Instinkt
noch heute Not und Elend bringt,
weil er den Kleingeist dazu zwingt,
dass er jeden niederringt,
der nicht seine Lieder singt.

Wenn Habgier sich an Herrschsucht bindet
und die Vernunft vor Neid erblindet.
Wenn Hass die Freundschaft überwindet,
der Stärkere den Schwachen schindet
und Mitleid seine Grenzen findet,
dann ist die Lunte angezündet.

Nicht ob ist fraglich, sondern wann,
wieder ein selbstgerechter Mann,
ein Misantroph im Größenwahn,
glaubt, es sei des Schicksals Plan,
dass er die Welt beherrscht und dann
wächst wieder Wind zu Sturm heran.

Kapitel 1 Wahn wird Wort

Mit scharfer Zunge, gut geschult,
spuckt er sein Gift vom Rednerpult.
"Es ist jetzt Schluss mit der Geduld
und einzig trägt der fremde Kult
an all dem Unheil und Tumult
In unserem schönen Land die Schuld."


"Statt Religion ist, geistig schwach,
sein Hokus-Pokus nichts als Krach.
Laßt uns bereit sein und hellwach,
sonst wird schon bald, millionenfach,
durch fremdes Erbgut nach und nach,
Blut, dass einst stolz war, krank und schwach."

Dummheit, mit Arroganz gepaart,
der Wille weich, die Fäuste hart,
das ist die ganz spezielle Art
von Menschen,die er um sich schaart.
Er weiß, dass deren Gegenwart
ihm manchen Widerspruch erspart.

Kapitel 2 Glauben machen ist Macht

Sein wohldurchdachtes Wortgeflecht
macht es ihren Ohren recht.
"Weil´s denen gut geht, geht´s euch schlecht.
Wollt ihr Karpfen sein oder Hecht?
Wenn ihr die Treue mir versprecht,
werdet ihr Herr sein, nicht mehr Knecht."

Die Saat geht auf, wie bald sich zeigt.
Die Zahl der Eidgenossen steigt.
Wer Unheil ahnt hat Angst und schweigt.
Denn, der Gewalt nicht abgeneigt,
wird jeder Mann, der sich nicht beugt,
mit anderen Mitteln überzeugt.

Wo immer seine Bühne stand,
gilt er als klug und wortgewandt
und bald schon gibt's im ganzen Land
kein off´nes Ohr, das er nicht fand.
Sein Name ist weithin bekannt
und Ehrfurcht schüttelt seine Hand.

"Auf un´sre Treue kannst du zählen,"
klingt´s bald aus hunderttausend Kehlen.
Es wird nicht eine Stimme fehlen,
wenn all´die artverwandten Seelen
ihn dann zu ihrem Führer wählen.
So werden Phrasen zu Befehlen.

Kapitel 3 Der Weg ist frei

Die Macht zu herrschen hat er jetzt
und die Gefahr, sieht man entsetzt,
hat man bei weitem unterschätzt
und viel zu viel auf´s Spiel gesetzt.
Denn wenn Mensch gegen Menschen hetzt,
wird mehr als nur der Stolz verletzt.

Plötzlich ist er überall.
Im Angesicht der Überzahl
erkennt manch´einer auf einmal,
wer keine Wahl hat, hat die Qual.
Jetzt rollt der Stein in Richtung Tal
und wer im Weg steht, kommt zu Fall.

Als ob es ein Verbrechen wär
macht, ab sofort der neue Herr
dem Anderssein das Leben schwer
und leistet jemand Gegenwehr
fällt über ihn kein Richter mehr
das Urteil, sondern ein Gewehr.

Gebunden an den Treueschwur
wird nun der Mensch zur Spielfigur.
Sieht er erst Leid und Tränen nur,
dann hat, erbarmungslos und stur,
die Rache ihre Konjunktur.
Von Gott und Gnade keine Spur.

Wenn ein Soldat zusammenbricht,
den hinterrücks man niedersticht,
malt rauch- und russgedämmtes Licht
mit Blut den Schmerz ihm auf´s Gesicht.
Jedoch die Propaganda spricht
von Heldentod und Bürgerpflicht.

Von der Vergeltung, die man schwöre.
Wie feig´das Mordgesindel wäre
und das bei der Soldatenehre,
ab jetzt erbittert man sich wehre.
Der Krieg, den man dem Feind erkläre,
ruft auf zum Kampf, an die Gewehre.

So wird ein Flächenbrand entfacht.
Der rote Horizont der Nacht
scheint so, als ob der Teufel lacht.
Denn wieder wurde unbedacht,
voller Stolz und im Rausch der Macht,
Pandora´s Büchse aufgemacht.

Kapitel 4 Der Krieg beginnt

Auf dem Marsch in´s Kampfgebiet
singt man voll Stolz ein Heldenlied,
als Rythmus für den gleichen Schritt,
in dem das Heer zu Felde zieht.
Wer immer dieses Schauspiel sieht,
jubelt entweder oder flieht.

Die Schlacht beginnt und man versteht,
wer nicht zuerst schießt, schießt zu spät.
Das besser man nicht aufrecht geht,
weil man sonst erntet, was man sät.
Weil Angst kommt, wenn der Mut vergeht,
hat jeder Held bald sein Gebet.

Bald werden Marschgepäck und Füße schwer.
An einen schnellen Sieg glaubt keiner mehr.
Im Zorn beim Angriff und in Angst bei Gegenwehr,
schießt man tagtäglich seine Magazine leer
und unbemerkt schickt jeder Kugel, das Gewehr,
ein kleines Stück Gewissen hinterher.

Es blendet wie Sirenenklang,
der Hass die Sinne, jahrelang.
Hoffnungslos werden Seelen krank,
doch wer die weiße Fahne schwang,
und jeder dem die Flucht misslang,
endet als Deserteur am Strang.

Kapitel 5 Menschlichkeit im Wandel

Als ein Soldat getroffen wird
und man ihn einfach ignoriert,
weil er so viel Blut verliert,
dass er sowieso krepiert,
ahnt mancher, was schon bald passiert,
betet und hofft, dass er sich irrt.

Aus Menschenherzen werden Steine
wenn man begreift, man kämpft alleine.
Man ist kein Freund und hat auch keine.
Wer keine Chance hat, stiehlt sich eine.
Besser, so denkt man, die Gebeine
auf die man morgen tritt, sind deine.

Des Menschenwürde wird charakterlos verderben,
wenn, messerscharf, des Kriegsbeil tiefe Kerben,
in die Seele schlägt bis sie beginnt, sich schwarz zu färben.
Wenn ein Soldat sich zwischen Trümmern, Schutt und Scherben
verwundet quält, ist das Gebet:" Gott, lass ihn sterben,"
längst nicht mehr Mitgefühl, die Stiefel will man erben.

Kapitel 6 Ein Einzelschicksal

Es ist totenstill, über das Lager wacht
ein Soldat auf seinen Posten. Es ist Nacht.
Krieg sei ein Abenteuer hat er mal gedacht,
in dem am Lagerfeuer man die Sieger einer Schlacht
als Helden feiert, doch niemand singt und keiner lacht.
Krieg ist ein Albtraum, der beginnt, wenn man erwacht.

Anstatt Musik hört man das Donnern der Kanonen,
Schüsse und Schreie, Bombenexplosionen.
Grausame Bilder, die niemanden verschonen.
Alte und Kinder sieht man, die in Ruinen wohnen.
Die Wahrheit ließ von den naiven Illusionen
ihm nur ein paar verwelkte Emotionen.

Im Dunkel seiner endlos langen Schicht,
weiß er oft nicht, ob er noch denkt oder schon spricht
und ein paar Tränen rollen über sein Gesicht.
Das in dem kurzen Augenblick, in dem das Licht
des Mondes durch die Wolkendecke bricht,
sein Schicksal sich erfüllt, das ahnt er nicht.

Wie ein Verräterfinger scheint es, kalt und fahl,
auf sein Gewehr und, reflektiert von dem Metall,
fällt es dem Feind ins Auge. Kurz und nur einmal
drückt der den Abzug und ein heißer Tropfen Stahl
findet sein Ziel. Der Tod kam schneller als der Schall
und nur die Lebenden erschrecken durch den Knall.

Kapitel 7 Jedem ein Stück vom Krieg

Man starrt ihn an, seit Stunden schon.
Kein Trugbild keine Illusion.
Der Brief vom Todespostillon
schreibt:"Wie ein Held, so fiel ihr Sohn."
Für seine Tapferkeit als Lohn,
ein blanker Orden". Blanker Hohn.

Die alte Frau mit einem Pferdewagen,
leer ist ihr Blick, genau so wie ihr Magen,
zieht vorbei. Man hört sie leise sagen:
"Für uns´re Sünden schickt in diesen Tagen
der Herr uns die wohl schlimmste aller Plagen.
Der Mensch muss seine Menschlichkeit ertragen."

Flucht ohne Ziel, Blut färbt die Heimaterde rot.
Es wächst mit jedem neuen Tag die Not.
Durch den Schlaf gehetzt, vom Traum bedroht,
sucht man erschöpft und müde, Trost bei Gott.
Heuchlerisch betet man um´s täglich Brot
und wünscht im gleichen Atemzug den Feind den Tod.

Erst wenn der letzte Vorhang fällt.
Wenn Frieden wieder Einkehr hält.
Sagen die Trümmer dieser Welt
und jeder Tote, den man zählt,
man hat den falschen Weg gewählt
und letztlich sich nur selbst gequält.

Schlusswort

Nur wenn die Menschheit sich besinnt
und endlich zu versteh'n beginnt,
dass niemand einen Krieg gewinnt
weil alle Menschen Brüder sind.
Erst dann hört schließlich jedes Kind
wie schön auch and´re Lieder sind.

J.Johannes Edler

Informationen zum Gedicht: Die Illusion vom großen Sieg

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09.08.2012
Das Gedicht darf unter Angabe des Autoren (Jörg Edler) für private Zwecke frei verwendet werden. Hier kommerzielle Anfrage stellen.
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