Märchenkonferenz

Ein Gedicht von Klaus Enser-Schlag
Es treffen sich in jener Runde
die Heldinnen der Brüder Grimm
zur Konferenz – der Märchenstunde –
und sei die Story noch so schlimm.

Schneewittchen, mit den sieben Zwergen,
erzählt von Spiegeln, Blut und Schnee,
doch trotz der sieben hohen Berge
ist das Int’resse längst passé…

Dornröschen hat auch nichts zu sagen
was neu und ungewöhnlich wär‘,
sie zehrt nur noch von alten Tagen,
ihr Märchen gibt längst nichts mehr her…

Rapunzel lässt ihr Haar herunter,
es ist schon mittlerweile grau,
auch Rotkäppchen ist nicht mehr munter,
schlurft durch den Wald als alte Frau…

So angestaubt sind die Geschichten,
man mag sich nicht mehr daran stör‘n,
kann gut und gern darauf verzichten,
sie sollten besser ganz aufhör’n…

Doch heut‘ kam eine neue Dame
zum ersten Mal zur Konferenz.
Wie war doch gleich ihr werter Name?
Sie wähnt sich außer Konkurrenz.

Und sie erzählt ein Ammenmärchen
von heiler Welt – ganz ohne Hass –
dazu gibt’s ein paar Gummibärchen
und ihren Satz: „Wir schaffen das!“

Sie ist die beste Märchentante,
die ich seit Andersen gehört,
doch wer die Wahrheit längst erkannte,
erhält das Prädikat „Gestört“…

Der Mensch will gern ans Gute glauben
und sei’s mit allerletzter Kraft.
Kritik, die will man nicht erlauben,
denn sie verwirrt die Wählerschaft…

Informationen zum Gedicht: Märchenkonferenz

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16.01.2017
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